Kompetenz versus Fähigkeit: Jobprofile für die Arbeitswelt von morgen

Um trotz Fachkräftemangel offene Stellen mit geeigneten Kandidaten zu besetzen, engagieren Unternehmen gezielt Personalberater oder betreiben Active Sourcing. Den Bewerbern bieten sie mobiles Arbeiten, Sabbaticals und eine attraktive Weiterbildung, damit sie im derzeitigen Arbeitnehmermarkt überzeugen. Mitunter scheitern Unternehmen jedoch an ihren überzogenen Erwartungen und Anforderungen. Führungskräfte diktieren der Personalabteilung lange Listen und skizzieren damit einen Idealkandidaten, die berühmte „Eier legende Wollmilchsau“. Kennen selbstbewusste Bewerber ihren Marktwert, scrollen sie bei solchen Stellenanzeigen häufig weiter. Sie vermissen den Dialog auf Augenhöhe.

Legt der potenzielle Arbeitgeber seinen Fokus stärker auf Kompetenzen als Fähigkeiten, erreicht er damit die gesuchten Fachkräfte möglicherweise besser. Wie das beliebte Zitat „hire for attitude, train for skills“ knackig zusammenfasst, ist es wenig hilfreich, zu starr auf spezifische Fähigkeiten zu setzen. Das zukunftsorientierte Kompetenzmanagement stellt das Verhalten sowie Technikverständnis und Führungskompetenz in den Mittelpunkt.

Was bedeutet das im Klartext? Wer technikaffin ist und eine gute Auffassungsgabe hat, findet sich schnell in neue Softwarelösungen ein. Ein solcher Mitarbeiter kann sich für das Team als wertvoller erweisen als ein technisch unbegabter Kollege, der eine Software beherrscht, aber ihre Anwendung mühevoll erlernt hat.

Können Soft Skills die Branchenerfahrung ersetzen?

Wer empathisch und kundenorientiert tickt, findet sich schnell in eine neue Branche ein. Umgekehrt nützt die beste Branchenerfahrung wenig, wenn der Bewerber kein glückliches Händchen im Umgang mit Menschen hat. Das Beispiel zeigt die Bedeutung von Soft Skills, also der Verhaltenskompetenz.

Im Schweizer Arbeitsmarkt zeigt sich ein Mangel an Kandidaten mit den in Inseraten geforderten Fähigkeiten wie Sozialkompetenz, Engagement und Gewissenhaftigkeit. Dies ergab eine Analyse der Vakanzdauer von Stelleninseraten der BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG und KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich aus dem Jahr 2023.

Auch Führungserfahrung wird häufig im Recruiting als Muss-Kriterium definiert, um eine Führungsposition zu besetzen. Wer von seiner Persönlichkeit her andere leicht motiviert und mitreisst und sich zugleich einfühlsam gegenüber introvertierten Kollegen verhält, mag trotzdem die Idealbesetzung sein, um ein Team zu führen. Wichtige Managementkenntnisse kann derjenige immer noch in einem Seminar für Führungskräfte erwerben. Der auf Fähigkeiten basierende Ansatz klassischer Jobprofile lässt selten Platz für solche Quereinsteiger. Deshalb werden diese hoch motivierten Kandidaten oft zu wenig beachtet.

Die kompetenzbasierte Stellenausschreibung hat aber nicht nur Vorteile. Weniger erfahrene Kandidaten prüfen ihre Eignung lieber anhand von Fähigkeiten und finden sich möglicherweise in der Kompetenzbeschreibung nicht ausreichend wieder. Sie fürchten allenfalls, ihre Kompetenz nicht klar genug im Vorstellungsgespräch kommunizieren zu können. Um zum Beispiel die Fähigkeit zur Problemlösung unter Beweis zu stellen, braucht es eine konkrete Geschichte. Besser noch sind Zahlen, die den daraus resultierenden Erfolg dokumentieren. Betriebsgeheimnisse des derzeitigen Arbeitgebers möchte und darf der Kandidat nicht ausplaudern. Das erschwert es im Einzelfall, anschauliche Beispiele zu präsentieren. Speziell bei Nachwuchskräften bieten sich daher Assessment-Center oder Probearbeitstage an.

Das Beste aus zwei Welten: das integrierte Job- und Kompetenzprofil

Bei einer klassischen Anzeige besteht die Gefahr, dass Führungskräfte gezielt nach Kandidaten suchen, die ihnen selbst oder dem derzeitigen Team ähneln. Das kann Innovationen erschweren, die besonders von Diversität in den Teams befruchtet wird. Wer statt der gewünschten Fähigkeit andere Kernkompetenzen einbringt, kann das Team bereichern und voranbringen. In der Konsequenz ist es eine gute Lösung, die Schnittmenge aus dem klassischen Jobprofil und dem heute oft gängigen Kompetenzprofil zu bestimmen. Gelingt dies, lassen sich die Erwartungen unterschiedlicher Typen von Kandidaten sowie des Unternehmens besser zusammenbringen.

Bei dem Fokus auf Fähigkeiten darf auch nicht vergessen werden, wie wichtig es ist, dass der Bewerber in das Unternehmen passt. Beim Cultural Fit spielen die Inhalte des Unternehmensleitbildes sowie die Werte und die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle.

Flexible Generalisten für die VUCA-Welt?

Generalisten sowie flexible und wissbegierige Menschen gelten oft als die Idealbesetzung für die dynamische Arbeitswelt von heute. Das Wissen von gestern kann in der schnelllebigen VUCA-Welt schon morgen nichts mehr wert sein. Im Vorstellungsgespräch sind Unternehmen gefordert, die richtigen Fragen zu stellen und anhand der Antworten die Persönlichkeitsmerkmale sinnvoll zu prüfen. Es gilt beispielsweise herauszufinden, ob für den Bewerber das lebenslange Lernen lediglich ein aufgeschnapptes Schlagwort oder gelebte Überzeugung ist. Nur zu fragen, ob der Bewerber gerne Neues lernt, reicht nicht aus. Besser wäre eine Frage wie: „Was haben Sie zuletzt für Ihren Beruf gelernt und wie haben Sie das Wissen erfolgreich angewendet?“ Mit einem konkreten Beispiel lässt sich leichter einordnen, ob eine Floskel oder echte Kompetenz dahintersteckt.

Gerne sprechen wir mit Ihnen über Kompetenzprofile und finden geeignete Kandidaten für Ihr Unternehmen. Dazu können auch motivierte Quereinsteiger zählen, die mit den passenden Skills und einem „training-on-the-job“ zur Idealbesetzung werden. Wir wissen, worauf es ankommt, um die Anforderungen einer Stelle und das Kompetenzprofil in Einklang zu bringen. Trotz Fachkräftemangel ist weiter eine hohe Qualität des Matchings möglich. Dabei zählen die kluge Kombination aus Fähigkeiten und Kompetenz.

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Autor: Nicole Schmidt