Fachkräfte gewinnen und halten: die Rolle der Unternehmenskultur

Seit 2003 veröffentlicht Randstad zweimal pro Jahr in Europa, Amerika und Asien-Pazifik die Studie „Arbeitsbarometer“. Laut der Zeitschrift Schweizer MaschinenMarkt könnte das aktuelle Arbeitsbarometer Unternehmen in Angst und Schrecken versetzen. Danach ist jeder zweite Angestellte in der Schweiz derzeit auf der Suche nach einer neuen Stelle oder mindestens offen für eine neue berufliche Herausforderung. Gleichzeitig suchen zwei von drei Befragten aus der Schweiz nach mehr Flexibilität in ihrer Tätigkeit.

Gleichzeitig ist es für 72 Prozent der Schweizer Unternehmen schwierig, Mitarbeitende zu gewinnen. Das ergab Ende 2021 eine Umfrage von Willis Towers Watson (WTW), wie die Handelszeitung berichtet. Wie der Vergleich zu 29 Prozent im Jahr zuvor zeigt, hat sich die Situation deutlich verschärft. Das hängt auch mit dem Phänomen zusammen, dass ungewöhnlich viele Menschen im Jahr 2021 ihre Arbeitsstelle kündigten. Das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt verschiebt sich immer mehr zugunsten der Arbeitnehmer. An Trends wie dem Reverse Recruiting wird dies deutlich. Wie der Name vermuten lässt, bewerben sich die Unternehmen bei ihren Wunschkandidaten. Im Gegensatz zum Active Sourcing schliesst sich der Kontaktaufnahme allerdings nicht der übliche Bewerbungsprozess an. Reagiert der Kandidat positiv auf die Bewerbung des Unternehmens, kann es direkt in die Vertragsverhandlungen gehen.

Wohin geht die Reise: Arbeitgeber richten ihre Unternehmenskultur neu aus

Die Unternehmen haben erkannt, dass sie aktiv werden müssen, um bewährte Fachkräfte nicht zu verlieren und erfolgreich zu rekrutieren. Dabei ist die wettbewerbsfähige Höhe des Salärs nur ein Aspekt unter vielen. Die überzeugende Unternehmenskultur und Angebote wie das mobile Arbeiten sind hingegen zentral.

Eine Unternehmenskultur baut auf geteilten Werten und Einstellungen auf. Diese prägen die Handlungen der Geschäftsführung und der Mitarbeitenden. Wichtig ist, dass das Eigen- und Fremdbild übereinstimmen. Sieht sich ein Unternehmen als modern und flexibel, sollte das mobile Arbeiten selbstverständlich sein.

Nach der Umfrage von WTW planen 81 Prozent der Arbeitgeber in der Schweiz, ihre Unternehmenskultur in den nächsten drei Jahren stärker auf die Mitarbeitenden auszurichten.

Dafür sollten Unternehmen sämtliche Prozesse auf den Prüfstand stellen, inklusive der „Candidate Journey“ für Bewerbende. Wer sich als begehrte Fachkraft seines Werts bewusst ist, hat wenig Geduld mit aufwendigen Online-Bewerbungsformularen. Genauso wenig möchte derjenige wochenlang auf eine Entscheidung warten. In vielen Unternehmen gilt es zudem, Führung neu zu denken.

Homeoffice und Unternehmenskultur sind wichtige Themen im Recruiting

Die XING-Betreiberin New Work hat von Forsa in der Deutschschweiz hundert Personalmanager und tausend Angestellte zum Thema Homeoffice befragen lassen. Dabei zeigt die Studie eine Diskrepanz zwischen dem langfristigen Angebot vieler Arbeitgeber und den Wünschen der Beschäftigten. Die meisten Unternehmen wollen weiter Homeoffice anbieten. Allerdings versprachen lediglich zwei Prozent der befragten Unternehmen, dass ihre Mitarbeitenden langfristig mehr als zur Hälfte remote arbeiten dürfen. Dem stehen 16 Prozent der Arbeitnehmer gegenüber, die sich wünschen, ihren Beruf dauerhaft und ausschliesslich von zu Hause ausüben zu können. Weitere 38 Prozent möchten bis zur Hälfte oder gar drei Viertel ihrer Arbeitszeit im Homeoffice oder anderweitig remote leisten.

Fast jeder zweite Personalmanager erklärte sogar, dass es in seinem Unternehmen auf längere Sicht keine Möglichkeit mehr für das mobile Arbeiten geben wird. Das liegt nicht immer am mangelnden Willen. Einige Unternehmen brauchen ihre Mitarbeitenden in Präsenz, um ihre Angebote aufrechterhalten zu können. Im Spital oder dem Detailhandel ist das nachvollziehbar.

Aufschlussreich sind zudem die Themen, die laut New Work und Forsa bei Bewerbungsgesprächen im Vordergrund stehen. So nannten 77 Prozent der Personalmanager die Unternehmenskultur. Auch die Work-Life-Balance (73 Prozent), gutes Führungsverhalten (68 Prozent) und persönliche Sinnerfüllung im Beruf (66 Prozent) wurden häufig besprochen – und sind den Kandidaten wichtig.

Unternehmenskultur und Employer Branding: die Rolle von Social Media

Um die Unternehmenskultur für Bewerber sichtbar zu machen, stellen die Website sowie die Präsenzen in Social Media eine wichtige Informationsquelle dar. Die meisten Menschen informieren sich heute im Internet über einen potenziellen Arbeitgeber. Dabei greifen sie Informationen auf, die ihnen auf ihren bevorzugten Social-Media-Plattformen begegnen. Die sogenannte Candidate Journey beginnt nicht erst mit dem Schreiben einer Bewerbung oder dem Vorstellungsgespräch. Tatsächlich hat sie ihren Ursprung im ersten Kontaktpunkt zwischen dem Menschen und einem Unternehmen. Je glaubwürdiger das Unternehmen kommuniziert, umso wahrscheinlicher bleibt ein guter Eindruck zurück.

Unternehmen einer Branche mit Fachkräftemangel oder die eine Stelle in der IT besetzen müssen, sollten sich von ihren Wettbewerbern positiv abheben. Dabei hilft das Employer Branding, also der Aufbau einer starken und unverwechselbaren Arbeitgebermarke. Die Glaubwürdigkeit lässt sich durch die Gesichter hinter der Marke steigern. Mitglieder der Geschäftsführung sowie Mitarbeitende können als Corporate Influencer und Markenbotschafter eindrücklich vermitteln, wie es im Unternehmen aussieht und sich anfühlt, dort zu arbeiten.

Insbesondere für jüngere Bewerber sind ESG-Kriterien, die Einstellung zu Diversität und Inklusion und der damit verbundene Purpose ihrer künftigen Arbeit besonders wichtig. Statt auf ein ESG-Ranking zu verweisen, kann es sinnvoller sein, soziale oder ökologische Projekte konkret und anschaulich vorzustellen.

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Autor: Nicole Schmidt