„Think different“ – Querdenken ist eine vielschichtige Aufgabe

Fast ein viertel Jahrhundert ist es her, dass Apple mit seinem damaligen iCEO Steve Jobs in einer der legendärsten Werbekampagnen der Welt den Slogan „Think different“ zu einem Leitsatz machte. Ein aktueller Blick in die Unternehmen zeigt jedoch: Noch immer ist mit Konformitätsdenken und Killerphrasen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ das Gegenteil der Fall. Wo sind die in der gefeierten Kampagne angesprochenen „Rebellen, die Idealisten, die Visionäre, die Querdenker, die, die sich in kein Schema pressen lassen, die, die Dinge anders sehen“ und die die Transformation mit ihrer Genialität erfolgreich vorantreiben? Offensichtlich nicht in den meisten Unternehmen.

Francesca Gino, Professorin an der Harvard Business School, berichtet im Manager Magazin, dass sie in einer Umfrage herausgefunden hat, dass in mehr als der Hälfte der Unternehmen der Status quo nicht infrage gestellt wird. Fast jeder zweite Mitarbeiter sei regelmässig Anpassungsdruck ausgesetzt. In einer anderen ihrer Umfragen gab nicht einmal jeder zehnte Teilnehmer an, dass sein Unternehmen nonkonformes Verhalten unterstütze. Andere Untersuchungen förderten ähnliche Ergebnisse zutage. „Die Daten lassen vermuten, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter bewusst oder unbewusst dazu drängen, einen Grossteil ihrer Persönlichkeit am Büroeingang abzugeben“, so Francesca Gino. Autorin und Wirtschaftspsychologin Svenja Hofert bestätigt dieses Bild. Sie konstatiert auf Xing: „Überall scheinen Denkräume kleiner geworden.“ Ein Grund dafür: „Mit Querdenkern zu leben und arbeiten ist anstrengend. Sie lassen einem keine Ruhe. Sie forschen unermüdlich weiter. Sie hören auf ihre Intuition. Und sie lassen sich nicht vereinnahmen.“

Konformität macht dumm

Querdenker stellen den Status quo infrage und verlassen damit die Sicherheitszone des Bekannten, wie Redner und Dozent Karem Albash im WEKA Verlag erläutert. Und das in einer Zeit, in der laut Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften der Begriff „Disruption“ wie „eine grosse Angstschweiss-Wolke“ über allen Vorträgen auf Business-Konferenzen hängt und als Gespenst in Europa umgeht. Deshalb werden Querdenker bekämpft. Illustrativ beschreibt Svenja Hofert, dass Querdenker in geschlossenen Systemen entweder gleichgeschaltet oder „wie Unkraut ausgerupft“ werden.

„Dafür zahlen Mitarbeiter und Unternehmen einen Preis in Form geringeren Engagements, schlechterer Produktivität und mangelnder Innovation“, argumentiert Francesca Gino. Ein Experiment an der ETH Zürich brachte den Beweis: „Konformität macht dumm und hebelt den Effekt der Schwarmintelligenz aus!“, ist auf der Plattform Arbeits-abc erläutert. Dabei sollten Studenten Schätzfragen beantworten. Das Ergebnis: „Diejenigen Probanden, welche erst ihre eigene Schätzung abgaben, schnitten dabei bedeutend besser ab als diejenige Gruppe von Probanden, welche zuerst den Mittelwert der anderen Teilnehmer erfuhr.“

Laterales Denken als Light-Version

Um solchen negativen Effekten entgegenzuwirken, setzt so manches Unternehmen auf Querdenken light. Nach Worten von Svenja Hofert werden Leute gesucht, die Probleme lösen – „aber bitte lokal und begrenzt. Der Querdenker soll sein geniales Gehirn doch bitte kurz verleihen, seinen Widerspruchsgeist aber zu Hause lassen.“

Wer nach Querdenken beziehungsweise lateralem Denken sucht, findet viele Ratschläge, wie sich diese Fähigkeit fördern lässt. Jochen Mai, Gründer und Chefredakteur der Karrierebibel, nennt sieben Tipps, wie Menschen zu Querdenkern werden können: sich mit anderen Menschen umgeben, den eigenen Horizont erweitern, Reibung zulassen, sich gegen Konventionen stellen, Frust als Ansporn nutzen, Blick fürs Detail entwickeln und sich Distanz bewahren. Spezielle Seminare, zum Beispiel der Haufe Akademie, sollen „den Disruptor in Ihnen“ stärken. Darüber hinaus formen manche Entscheider diverse Teams, um verschiedene Ansichten und Stärken zu vereinen. Einige haben auch Techniken wie die des Advocatus Diaboli etabliert, der den Auftrag hat, in Entscheidungsprozessen eine Gegenposition einzunehmen. All dies sind jedoch lediglich punktuelle Massnahmen.

Erst Zerstörung ermöglicht Neuordnung

Mit dem Thema gehen zahlreiche Fragen einher, wie Autorin, Rednerin und Management-Beraterin Anne M. Schüller in ihrem neuen Buch „Querdenker verzweifelt gesucht – Warum die Zukunft der Unternehmen in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt“ beschreibt: „In welcher Art Organisation kann das gelingen? Welche Tools werden dafür gebraucht? Wie kann man sich attraktiv für Querdenker machen? Wo und wie sind Querdenker einsetzbar, um vom Denken auch ins Handeln zu kommen? Was sollte man im Unternehmen tunlichst vermeiden, um die guten Querdenker, die man hat, nicht zu vertreiben? Wie kann ein Querdenker seine Ideen in Szene setzen, sodass sie annehmbar werden? Und von welchen Vorgehensweisen sollte selbst der leidenschaftlichste Querdenker besser die Finger lassen, weil sie nicht funktionieren?“

Daraus ergeben sich komplexe Aufgaben in sämtlichen Bereichen. Im Grunde gilt es, bisherige Muster komplett umzukrempeln – von der persönlichen Einstellung bis hin zum Recruiting. Anderenfalls werden, wie im Beitrag „Karrierewege von gestern sind passé und neue Denkmuster innovativ“ erörtert ist, Menschen mit Brüchen im Lebenslauf aussortiert, Quereinsteiger erhalten kaum eine Chance. Denn oft „bringen Personaler und Entscheider häufige Jobwechsel per se mit mangelnder Loyalität, geringer Teamfähigkeit sowie Inkompetenz oder Sprunghaftigkeit in Verbindung“. Erst das Aufbrechen solcher Denkmuster kann den erforderlichen Freiraum zur Entfaltung der positiven Potenziale schaffen. Es ist nach dem Konzept der schöpferischen Zerstörung gewissermassen notwendig, damit eine Neuordnung stattfinden kann.

In einigen Unternehmen findet diese auch statt – radikal. Ryanair, FlixBus, Uber, Airbnb sind prominente Beispiele für die gesuchten ungewöhnlichen, bisher nie dagewesenen Ideen und Strategien, die erfolgreiche und durchorganisierte Geschäftsmodelle von heute auf morgen revolutionieren. Querdenker sind nicht aufzuhalten. Oder wie es im Gedicht der Apple-Kampagne heisst: „Denn die, die verrückt genug sind zu denken, sie könnten die Welt verändern, sind die, die es tun.“

Schaffen Sie also die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel und finden Sie die Querdenker, die Sie benötigen! Wir unterstützen Sie dabei.

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