Sonnen- und Schattenseiten des Technologiestandortes Schweiz

Nach dem Global Innovation Index ist die Schweiz seit Jahren das innovativste Land der Welt. Nun entwickelt sie sich anscheinend auch zu einem führenden Technologiestandort. In mehreren Medien wird die Nation in einem Atemzug mit dem Silicon Valley genannt – dem weltweit bedeutendsten Standort für unzählige IT- und Hightech-Unternehmen. Den Vergleich muss die Schweiz nicht scheuen, wenngleich es im Zuge ihres Aufschwungs vieles zu berücksichtigen gilt.

Steigende Investitionen

Für die Entwicklung zu einem führenden Technologiestandort sprechen die jüngsten Investitionen. Im vergangenen Jahr haben Fonds, Grossfirmen und Private 1,24 Milliarden Franken in technologiegetriebene Jungfirmen investiert, wie die NZZ unter Berufung auf den neusten Swiss Venture Capitalist Report berichtete. Dies sei im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von fast einem Drittel. Dabei haben Investitionen in Informationstechnologie den Geldspritzen in Life-Science „den Rang abgelaufen“. Aus dem Swiss Entrepreneurs Fund, den die Stiftung Swiss Entrepreneurs Foundation gemeinsam mit dem Versicherer Mobiliar und den Grossbanken UBS sowie Credit Suisse lanciert hat, sollen bis zu 500 Millionen Franken in innovative Unternehmen mit Wachstumspotenzial fliessen, so das Magazin „Finanz und Wirtschaft“. Ziel der Stiftung sei, dass die Schweiz ihre führende Stellung als Wirtschafts- sowie Innovationsstandort ausbaue und neue Arbeitsplätze schaffe.

Passend dazu hat die Unternehmensberatung Contor in ihrer Studie „Technologiestandorte – die geeignetsten Staaten weltweit“ der Schweiz ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Sie befindet sich zusammen mit Deutschland, Irland, den Vereinigten Staaten und dem Stadtstaat Singapur in einer Ländergruppe, „die im Wettlauf der Technologiestandorte vorne mitspielt und für Unternehmen und Investitionen interessant ist“, schreibt das Manager Magazin.

Die Studie „The State of European Tech 2018“ ist ein weiterer Beleg für die Entwicklung der Schweiz in Richtung Technologiespitze. Zürich mausert sich zu einer der beliebtesten Tech-Destinationen in Europa, titelte die Handelszeitung. Wie sie anführte, arbeiten im Raum Zürich mittlerweile 100.000 Entwickler – genauso viele wie in der Millionenmetropole Berlin, die als Start-up-Hotspot in Europa bekannt sei. Diese Entwicklung habe vor allem das „Crypto Valley“ in Zug, das Herz der Blockchain-Technologie, befeuert. „Es ist der am schnellsten wachsende Tech-Hub in Europa.“ In dem Kanton haben sich zahlreiche Start-ups aus der Krypto- und Blockchain-Welt niedergelassen, wie auch die FAZ berichtete.

Hervorragende Rahmenbedingungen

Ein Enabler für dieses Wachstum sei die lösungsorientierte Verwaltung. „Tatsächlich loben die Unternehmer die lokalen Behörden über den grünen Klee. Bei Fragen und Problemen werde unbürokratisch und schnell geholfen, heisst es allenthalben. Selbst für die schwierige steuerliche Behandlung der Krypto-Vermögen gebe es eine Lösung.“ Der wohl grösste Vorteil liege im liberalen Regulierungsansatz. Während Initial Coin Offerings in anderen Ländern verboten oder erheblich eingeschränkt seien, sei diese Art der Geldbeschaffung in der Schweiz grundsätzlich aufsichtsrechtlich unreguliert.

Ebenfalls positiv auf die Standortattraktivität der Schweiz wirken sich die politische Stabilität und das Steuersystem aus. Denn die Steuerbelastung ist vergleichsweise niedrig. Darüber hinaus verfügt die Schweiz über gut ausgebildete Arbeitskräfte, deren Bildungsniveau auch in den kommenden Jahren steigen soll. Lag der Anteil derjenigen mit einem Bildungsabschluss auf Tertiärstufe 2017 bei 43 Prozent der 25- bis 65-Jährigen, so geht der aktuelle Bericht des Bundesrates zur demografischen Entwicklung und zur Bildung davon aus, dass er im Jahr 2037 fast die Hälfte betragen soll.

Besonders gut positioniert hat sich die Schweiz im Bereich der Robotikausbildung. Im World University Ranking bekleidet die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich im Bereich Informatik den Spitzenplatz, die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne belegt den achten Rang, so das Magazin „Bilanz“. Die Einrichtungen locken Forscher von überall her an, „Google, Apple und Facebook streiten sich um die besten ETH-Talente“.

Wolken am Horizont

Doch es herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Tech-Konzerne werben die Forscher direkt von den Hochschulen ab, sodass sie dort nicht mehr als Postdocs zur Verfügung stehen. Unter ihnen befinden sich nur noch wenige Schweizer. Darüber hinaus sei noch etwas bedenklich: „Die hiesigen Unternehmen tun sich schwer mit der Anstellung von Forschenden von ausserhalb der Schweiz und der EU.“ Das heisst: Die Schweiz bilde die Spitzenforscher aus – und lasse sie dann weiterziehen.

Die Schweiz ist also gefordert, einen Spagat zwischen einer erstklassigen Ausbildung und dem Entgegenwirken des Fachkräftemangels zu absolvieren. Gleichzeitig muss der Wissenstransfer in die Wirtschaft besser erfolgen. Denn den Unternehmensberatern von PricewaterhouseCoopers zufolge stehe die Schweiz einzig in der Digitalkultur vor Europa und der „restlichen Welt“. Lediglich ein Prozent der Schweizer Firmen sind digitale Vorreiter, heisst es in der „Global Digital Operations Study 2018“. „Asien und Amerika lassen EMEA und die Schweiz bei der Nutzung neuer Technologien und digitalen Ökosystemen hinter sich. Während global 15 % der Unternehmen mit künstlicher Intelligenz arbeiten, sind es in der Schweiz lediglich 1 %.“

Diese Beispiele zeigen: Die Schweiz hat noch eine Menge Arbeit vor sich, der sie sich widmen muss, während sie die positive Entwicklung einiger Bereiche zu Recht feiert. Nur wenn es ihr gelingt, die anstehenden Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, werden die Sonnenseiten des Technologiestandortes Schweiz auf lange Sicht überwiegen. Nur dann locken sie zahlreiche Investoren sowie Fachkräfte an und schneiden im Imagewettbewerb mit der „kalifornischen Sonne“ bestens ab.

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