Recruiting mit Mut zu weichen Faktoren

Wenn Unternehmen oder Organisationen einen Mitarbeiter einstellen wollen, ist es zweifelsohne am besten, wenn mindestens ein Kandidat 100-prozentig geeignet ist – er über die geforderte Fachkompetenz verfügt und seine Persönlichkeit überzeugt. Doch ein perfektes Match bleibt meistens ein Wunschbild. In der Realität müssen Entscheider Kompromisse eingehen. Dabei sind sie unter anderem gefordert, Hard Skills und Soft Skills zu gewichten. Sie kommen nicht umhin, zu fragen, was ihnen mehr bedeutet: dass die fachlichen Lücken so klein wie möglich sind, oder dass hauptsächlich die Persönlichkeit ins Team sowie ins Unternehmen passt.

Noch immer trifft in vielen Unternehmen die Aussage „Wissen ist Macht“ zu. Wie der grösste Teil der Stellenanzeigen belegt, liegt der Fokus auf den Fachkompetenzen. Dies sind die Skills, die benötigt werden, um die stellentypischen Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Ob sie zutreffen, lässt sich einfach überprüfen, zum Beispiel anhand von Fachfragen, Zeugnissen und Arbeitsproben. Da die Anforderungen an die gleiche Stelle sich aber von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden, erfüllt ein Kandidat diese selten zu 100 Prozent. Um nicht so viel Aufwand in die Einarbeitung und weitere Herausbildung dieser Kompetenzen investieren zu müssen, wählen die Entscheider in vielen Fällen den Kandidaten, der die meisten Schnittmengen mit dem Anforderungsprofil aufweist. Weiche Faktoren verschwinden im Hintergrund.

Soft Skills sind bedeutend

Zu den Soft Skills zählt einerseits die methodische Kompetenz. Damit sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, Arbeitstechniken, Verfahrensweisen sowie Lernstrategien anzuwenden. Andererseits beinhalten sie die persönliche und die soziale Kompetenz. Diese drücken sich in Eigenschaften wie Engagement, Motivation, Neugier und Belastbarkeit genauso aus wie in Teamfähigkeit, Kommunikationsverhalten, Integrationsbereitschaft, Kritik- und Konfliktfähigkeit sowie den Umgangsformen.

Die grosse Mehrheit der Entscheider ist sich bewusst, dass solche Faktoren wichtig sind und Fachkompetenz allein nicht ausreicht, um in einem Unternehmen erfolgreich zu sein. Sie wissen, dass z. B. Führungskräfte weiche Kompetenzen in besonderem Masse benötigen. Dies zeigt eine aktuelle Befragung in 232 klein- und mittelständischen Unternehmen in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz von BEITRAINING. Dass das Recruiting trotzdem nur teilweise an diesen Punkten ansetzt, liegt mit darin begründet, dass sich die Soft Skills nicht nach dem Schwarz-Weiss-Prinzip identifizieren und bewerten lassen.

Hilfreiche Fragen für die Bewertung

Welche Eigenschaft welches Gewicht hat, gilt es im jeweiligen Kontext von Stellenprofil und Unternehmenskultur zu definieren. Hilfreiche Fragen können sein: Wie ist das Team von fachlicher, aber vor allem sozialer Kompetenz aufgestellt? Braucht es einen Querdenker, um Innovationen anzuregen, oder ein den anderen Teammitgliedern ähnelndes Profil, um die Harmonie nicht zu stören? Welche Schwerpunkte sind wichtig? Wo warten mögliche Gefahren bezüglich der Eigenschaften des Kandidaten? Wie kann ich jenen Risiken begegnen? Anhand der Antworten können die erforderlichen Soft Skills für die vakante Stelle genauso bestimmt werden wie die Hard Skills.

Zudem lassen sich diese Eigenschaften im Bewerbungsgespräch herausfinden. So ist es möglich, den Kandidaten zu bitten, sein Verhalten in bestimmten Situationen anhand konkreter Beispiele zu beschreiben. Auskünfte darüber, was ihm Spass bereitet, was Frust erzeugt, und was ihm in seinem Arbeitsumfeld wichtig ist, geben wichtige Hinweise auf seine Persönlichkeit. Die Motivation für den Stellenwechsel sollte ebenfalls deutlich werden. Bei all dem gilt es für Entscheider, darauf zu achten, sowohl das Selbstbild als auch Fremdbilder einzuholen – die private Sicht und die Job-Sicht. Geeignete Fragen sind: Was würde Ihr Arbeitskollege über Sie sagen? Was sagt Ihre Partnerin bzw. Ihr Partner über Sie? Anschliessend sollte es möglich sein, zu beurteilen, ob die Antworten plausibel und authentisch waren, ob anhand der Beispiele Widersprüche deutlich geworden sind, beispielsweise zu den erwähnten Stärken sowie Schwächen.

Das perfekte Match

Dieses strukturierte Vorgehen erfordert zwar eine umfangreiche Vorbereitung, der Aufwand ist jedoch gerechtfertigt. Denn nur wenn die Persönlichkeit ins Team und in die Unternehmenskultur passt, können sich Fachkompetenzen entfalten. Wenn bestimmte Eigenschaften wie Anpassungsbereitschaft, Neugierde sowie der Wille zum Lernen ausgeprägt sind, ist es möglich, fachliche Lücken zu schliessen, sogar innerhalb kurzer Zeit, zum Beispiel durch eine umfassende Einarbeitung und Fortbildungen. Gleichzeitig erhält das Unternehmen wichtige Hinweise darauf, worauf es bei der langfristigen Bindung des Mitarbeiters achten muss.

Wenn es hingegen menschlich nicht passt, kann eine Person sich auf lange Sicht höchstwahrscheinlich nicht einfügen. Denn Persönlichkeit lässt sich nur mühsam und mit Einschränkungen verändern. In einem solchen Fall wächst das Frustpotenzial auf allen Seiten. Die Stelle würde fehlbesetzt und das ist teuer.

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