Helfen Persönlichkeitstests für den Umgang mit Kollegen und Kunden?

Persönlichkeitstests gibt es in zahlreichen Ausprägungen und mit unterschiedlicher Zielsetzung. Der Wortteil „Test“ ist allerdings irreführend, denn es geht nicht darum, den Test zu bestehen oder durchzufallen. Vielmehr erfassen psychologische Tests individuelle Merkmale des Menschen, dazu zählen beispielsweise seine Einstellung, Interessen und Motive. Die Ergebnisse sollen helfen, sich besser kennenzulernen und zu verstehen.

Bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter finden Persönlichkeitstests gelegentlich Anwendung, wenn das Unternehmen hochrangige Positionen zu besetzen hat. Mit dem vertieften Einblick in die Persönlichkeit des Bewerbers hofft der Arbeitgeber, einen kostspieligen Fehlgriff zu verhindern. Auch für Schul- und Studienabgänger erweisen sich solche Analysen als hilfreich, um klarer zu erkennen, für welchen Beruf sie geeignet sind.  

Persönlichkeitstests im Unternehmensalltag

Die Erkenntnisse aus Persönlichkeitstests sollen Mitarbeitenden helfen, besser mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden umzugehen.

Zu den bekannten und häufig verwendeten Persönlichkeitstests zählen:

  • Big-Five-Modell: Das Fünf-Faktoren-Modell wurde in den 1930er Jahren entwickelt und gilt als durch zahlreiche Studien bewährtes Standardmodell. Das Ergebnis des Tests ist ein individuelles Persönlichkeitsprofil.
  • Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP): Der rein berufsbezogene BIP erfasst die für den Einsatz im Beruf wichtigen Eigenschaften einer Persönlichkeit.
  • Gallup®: Eine Analyse der Stärken soll die Top-5-Stärken des Menschen aus 34 möglichen herausarbeiten.
  • Insights Discovery®: Auf der Typologielehre des Schweizer Psychologen C. G. Jung basierend, orientiert sich der Test am Vier-Farbenergie-Modell. Die meisten Menschen sind Mischtypen.
  • Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI®): Dieser Test ermittelt einen Persönlichkeitstyp und hat den Anspruch, dass seine Erkenntnisse lebenslang in Beruf und Privatleben hilfreich sind.
  • Reiss-Profile: Anhand von 16 Faktoren (Lebensmotiven) lässt sich ein stark ausdifferenziertes Bild der Persönlichkeit ermitteln.

In der Novartis AG haben beispielsweise über tausend Führungskräfte den Test von Insights absolviert. Zielsetzung war, dass sie ihren Führungsstil und dessen Auswirkung auf die Mitarbeitenden besser verstehen und sich im Bereich der Kommunikation weiterentwickeln.

Optimale Teams durch Persönlichkeitstests?

Im Zeitalter von Grossraumbüros und New Work nutzen Unternehmen Persönlichkeitstests, um Teams optimal zusammenzusetzen. Der Gedanke scheint verlockend, doch in der Realität funktioniert der Ansatz nicht immer. Die wenigsten Menschen lassen sich eindeutig einem Typ zuordnen, eher sind sie Mischformen. Zudem reagieren die Mitarbeitenden in unterschiedlichen Situationen nicht zu jedem Zeitpunkt rollentypisch. Die Funktion und Position, die sie in einer Gruppe einnehmen, wirken auf ihr Verhalten und die jeweilige Lebenssituation kann zu Veränderungen führen. Ausserdem arbeiten alle Modelle mit starken Vereinfachungen. Der Mensch ist vielschichtiger und seine Persönlichkeit hat zahlreiche Facetten.

Häufig wird angenommen, dass ähnliche Mitarbeitende am besten zusammenarbeiten: Bei ihnen wird unterstellt, dass sie die gleiche Sprache sprechen. Führt aber nicht eine höchstmögliche Diversität eher zum Erfolg? Oder gibt weder das eine noch das andere den entscheidenden Ausschlag beim Teamerfolg?

Hilfreiche Erkenntnisse aus Persönlichkeitstests

Persönlichkeitstests sind nützlich, damit Mitarbeitende besser mit ihren Kollegen zurechtkommen. Wer sich durch einen solchen Test genauer kennenlernt, gewinnt meist auch Verständnis für andere Menschen und mehr Gelassenheit im Arbeitsalltag. Erkennt Herr Meier, dass ihn Herr Müller nicht bewusst ärgern will, sondern nicht anders kann, geht er entspannter mit der Situation um. Persönlichkeitstests helfen, andere besser einzuschätzen und gleichzeitig eigene Schwächen zu erkennen sowie die Stärken auszubauen.

Gelingt es Führungskräften, ihre Mitarbeiter besser einzuschätzen, können sie Aufgaben gezielter verteilen. Um die Motivation der Mitarbeitenden zu fördern, zum Beispiel durch Incentives, helfen diese Erkenntnisse ebenfalls weiter. Den einen Mitarbeitenden interessiert vielleicht nur der monetäre Aspekt, wohingegen ein anderer lieber „Mitarbeiter des Monats“ werden möchte oder sich ein exklusives Essen mit dem Geschäftsführer wünscht.

Grenzen von Persönlichkeitstests

Wer in seinem Beruf ständig Kundenkontakt hat, profitiert ebenfalls von den Erkenntnissen aus Persönlichkeitstests. Dies betrifft insbesondere Einkäufer, Mitarbeitende im Vertrieb, an der Hotline oder am Empfang. Wer die Persönlichkeit seines Verhandlungspartners einschätzen kann, hat es als Einkäufer in Verhandlungen leichter, für sein Unternehmen die besten Konditionen herauszuholen.

Kritisch wird es, wenn ein Unternehmen beginnt, alle Mitarbeiter zu „durchleuchten“, um zu prüfen, wer in die jetzige oder künftige Unternehmenskultur passt – und wer nicht.

Teamarbeit wird immer wichtiger und wer als wenig teamfähig gilt, hat in der agilen und innovativen Arbeitswelt von heute und morgen schlechte Karten. Doch gibt es die Kategorien „teamfähig“ und „nicht teamfähig“ vielleicht gar nicht, wenn wir die Menschen aus dem Blickwinkel von Persönlichkeitstests betrachten. Erkennt in einem Team jeder seine Nische und die Persönlichkeit seiner Kollegen, erleichtert dies die Zusammenarbeit. 

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