Zwischen Homeoffice und Care Company

Nach HP und Yahoo beordert nun IBM, einer der Homeoffice-Pioniere, Tausende Mitarbeiter zurück in die Büros. Die Begründung: Zum Erfolgsrezept gehören kreative, inspirierende Orte. Mit dieser Auffassung befindet sich IBM in guter Gesellschaft. Die Giganten Google, Apple und Facebook setzen ebenfalls auf die positiven Effekte persönlicher Zusammenkünfte – und haben Erfolg. Dies bedeutet jedoch nicht per se, dass das Modell Homeoffice für alle gescheitert sein muss – im Gegenteil.

Vorteile von Heimarbeit

Die Arbeit im Homeoffice ist verbreitet. So arbeiteten 2016 insgesamt 28 Prozent der Schweizer mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause aus, Tendenz steigend. Denn die Hälfte aller Beschäftigten hätte das Potenzial dazu. Ausserdem haben viele Arbeitgeber Vorteile wie bessere Leistung und Einsparungen bei den Unterhaltungs- sowie Betriebskosten für Büros erkannt und erlauben das Arbeiten von zu Hause oder aus Coworking Spaces. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Der Arbeitsplatz der Zukunft: Wie digitale Technologie und Sharing Economy die Schweizer Arbeitswelt verändern“ von Deloitte. Die FlexWork Survey 2016 der Fachhochschule Nordwestschweiz bestätigt diese Entwicklung. Ihr zufolge arbeiten von den rund vier Millionen Arbeitnehmenden circa 30 Prozent im Homeoffice und leisten dabei durchschnittlich 6,4 Stunden pro Woche.

Hinzu kommt, dass immer mehr Mitarbeiter das Arbeiten von zu Hause fordern. Nach Angaben in der Deloitte-Studie würde von den restlichen 72 Prozent der Beschäftigten, die noch nicht mindestens einen halben Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten, es ein Drittel in Zukunft gerne tun. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Weg zur sowie von der Arbeit nach Hause und damit insbesondere für Pendler eine Menge Stress entfällt. Wer allein, ohne Ablenkung, arbeitet, kann sich besser konzentrieren.

Schattenseiten des Büros zu Hause

Allerdings hat dies auch Schattenseiten: Nicht jede Tätigkeit lässt sich ausserhalb des Büros erledigen und nicht jeder Mitarbeiter kann selbstorganisiert arbeiten. Auch gestaltet sich die Arbeit für viele Führungskräfte schwieriger. Nicht alle beherrschen einen projektbasierten Stil und können Ziele so eng abstecken, wie es in manchen Fällen erforderlich wäre. John Sullivan, Professor für Management an der San Francisco State University, sagt sogar, Heimarbeit war eine grossartige Strategie in den 80er und 90er Jahren, aber nicht heute. Seiner Meinung nach ist das persönliche Zusammenarbeiten ein Schlüssel zur Innovation.

Rundum-sorglos-Paket bei Facebook & Co.

Mehrere Studien stützen seine Ansicht – ebenso der Erfolg von Google, Apple und Facebook. Sie sind der Inbegriff von Innovation und versuchen, ihre Mitarbeiter möglichst lange in ihren Gebäuden zu halten sowie Zusammenkünfte zu fördern. Ausgewählte Fotos der luxuriösen Headquarter lassen jeden durchschnittlichen Arbeitnehmer erblassen. Neben guter Bezahlung bieten sie kostenloses Essen, Fitnessstudios und Kinderbetreuung. Manche Bürokomplexe haben einen eigenen Friseur, sodass es kaum noch einen Grund gibt, das Unternehmen zu verlassen. 2014 machten Facebook und Apple Schlagzeilen, weil sie Mitarbeiterinnen sogar das Einfrieren ihrer Eizellen bezahlten, damit diese die Familiengründung hinausschieben. Für Firmen, die diese Art der Fürsorge bieten, gibt es bereits einen Begriff – „Care Company“.

Doch nicht alle Mitarbeiter sind mit dem Überbehütetsein glücklich und kündigen. Sie fühlen sich nicht mehr in Kontakt mit ihrer Aussenwelt, den einstigen Freunden, der Familie. Hinzu kommt, dass sie immer nur auf hervorragende Kollegen treffen. Denn diese Unternehmen sind so begehrt, dass sie selbst unter der Elite der Bewerber noch auswählen können. So steht Google auf der Liste der Unternehmen mit den am wenigsten loyalen Mitarbeitern an vierter Stelle.

Jeder muss seine Mitte finden

Der Vergleich zwischen Homeoffice und Care Company zeigt: Beide Arbeitsmodelle haben Vor- sowie Nachteile. Das Gute ist jedoch, dass zwischen beiden Extremen zahlreiche Varianten möglich sind, die das beste beider Welten miteinander verbinden. Dazu zählen eine angenehme Arbeitsatmosphäre und zeitgemässe technische Ausstattung ebenso wie flexible Arbeitszeiten und -orte. Welche Mittel sich in welchem Fall eignen, um die Arbeit menschlicher und erfolgreicher zu gestalten, muss jedes Unternehmen für sich ergründen. Ein guter Weg dabei ist, sich an der Art der Arbeit zu orientieren sowie an den Mitarbeitern.

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Autor: Roger Nellen