Vorbilder – Leitfiguren auf dem Weg zur Selbstverwirklichung

Selbstverwirklichung ist ein Ideal der gegenwärtigen Zeit. Noch nie zuvor hatten Menschen so viele Möglichkeiten, ihre Talente und Wünsche zu entfalten, auch im Beruf. Unternehmen bieten vielversprechende Karrieremodelle, flexible Arbeitsmöglichkeiten und Mitbestimmung. Sich selbst aktiv mit all seinen Fähigkeiten einzubringen, ist eine unüberhörbare Forderung geworden, Nachahmen gilt als verpönt. Dementsprechend scheinen Vorbilder aus der Mode geraten zu sein. Dabei erfüllen sie nach wie vor wichtige Funktionen.

Vorbilder geben Orientierung. Sie zeigen, wo und wie es langgehen kann, geben Sicherheit und motivieren, indem sie als Beispiele dafür dienen, dass Ziele sowie Träume erreichbar sind, wie Jochen Mai, Gründer des Job- und Bewerbungsportals Karrierebibel, schreibt. Wie gross die Wirkung von Vorbildern ist, legt unter anderem die Studie „The When & Why of STEM Gender Gap“ im Auftrag von Microsoft dar. Sie attestiert, dass sich fast doppelt so viele Mädchen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) interessieren, wenn sie eine Leitfigur aus diesem Bereich haben. Mehr als die Hälfte der Mädchen kann sich dann eine Karriere in einem MINT-Beruf vorstellen.

Persönliche Faktoren entscheiden

Welche Personen jemand als Beispiel sieht, hängt von verschiedenen persönlichen Faktoren ab. Dazu zählen Alter und Geschlecht, wie eine Umfrage des Peer-to-Peer-Online-Geldtransfer-Service TransferWise ergab. In der Auswertung heisst es: „Während die von der Forbes als jüngste Selfmade-Milliardärin der Welt gekürte Kylie Jenner das grösste Vorbild für die weiblichen Befragten ist, landet sie im Gesamtranking nur auf Platz 4. Elon Musk gilt für die männlichen Umfrageteilnehmer als grösstes Karriere-Idol, belegt in der Gesamtabstimmung aber nur Rang 3.“ Darüber hinaus zeigte sich, dass für die Jugendlichen die Social-Media-Persönlichkeiten Ariana Grande und Kylie Jenner die wichtigsten Vorbilder sind, während junge Erwachsene ab 20 Jahren am meisten die Karriere von Steve Jobs bewundern.

Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen die aktuelle Lebensphase, Wünsche und Träume, so Jochen Mai. Danach richtet sich, mit welchen Werten, die jemand anderes verkörpert, sich jemand identifiziert und die er für nachahmenswert hält. Während der eine von Souveränität beeindruckt ist und diese gerne ebenfalls erreichen möchte, kann es für einen anderen Gelassenheit sein. Wieder jemand anderes hält Humor für erstrebenswert oder Pünktlichkeit und Organisiertheit.

Automatische Vorbildwirkung

Da kein Mensch alle guten Eigenschaften in sich vereinen kann, ist es sinnvoll, mehrere Vorbilder zu haben. „Wir brauchen nicht ein Vorbild, wir brauchen viele“, formulierte Redakteurin Anne Hünninghaus im Human Resources Manager. So vielfältig wie das Spektrum ihrer Funktionen können auch die Bereiche sein, in denen Menschen Vorbilder pflegen. Je nachdem, worum es geht, ob um Beruf, Familie, Freunde oder Bildung, können Vorbilder unter anderem Kollegen und/oder Vorgesetzte sein, aus der Familie stammen, unter Freunden zu finden sein oder unter Lehrern und Professoren.

Dabei haben Autoritätspersonen wie Mentoren und Vorgesetzte automatisch Vorbildwirkung, ob sie dies wollen oder nicht. Sie können durchaus auch negativ wirken. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Vorgesetzte mangelhafte Leistungen erbringen, gegen die Interessen des Unternehmens handeln oder ihre Arbeit schlecht organisieren. Darauf hat Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Katharina Lochner in einem Interview mit Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung hingewiesen. Sie sagte: „Als Chef steht man unter ständiger Beobachtung, und wenn man nicht das lebt, was man von anderen einfordert, kann man von Mitarbeitern nicht erwarten, dass sie sich wie gewünscht verhalten.“ Sich der eigenen Rolle als Vorbild bewusst zu sein, ist also sehr wichtig.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Wer seine mögliche Vorbildwirkung erkennt, kann gezielt daran arbeiten, andere zu Positivem zu bewegen. Auch dafür hat Jochen Mai verschiedene Schritte aufgeführt. Zu ihnen gehört, Potenziale anderer zu entdecken, zum Beispiel von Kollegen, und diese anzuspornen. Andere Sichtweisen zu erforschen ist wichtig, ebenso wie andere anzuerkennen und Wissen zu teilen. Wer eine gute Leitfigur sein möchte, sollte seine Mitmenschen so behandeln, wie er selber behandelt werden möchte. Er sollte ferner die Messlatte hochlegen und mutig vorausgehen. Bei allem ist Authentizität gefragt.

Dies gilt nicht nur für Vorgesetzte. Jeder kann Vorbild für andere sein, auf seinem speziellen Gebiet ideale Eigenschaften sowie Verhaltensweisen verkörpern und gleichzeitig von anderen lernen. Somit bleibt trotz Nachahmens sehr viel Spielraum für Selbstverwirklichung und dafür, Gutes noch besser zu machen beziehungsweise weiterzuentwickeln.

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Autor: Roger Nellen