Unternehmenskultur ist weitaus mehr als nur ein HR-Trend

„Culture eats Strategy for Breakfast“ – das Statement von Management-Vordenker Peter Drucker ist legendär und wird häufig zitiert. Denn das Thema Unternehmenskultur steht seit vielen Jahren hoch im Kurs. 2020 führt es nach Angaben von Jelena Scheltema-Stellaard, Senior Content Marketer bei CompanyMatch, einem Anbieter für Online Matching zur Ermittlung des Cultural Fit, die Rangliste der Recruiting-Trends an. Die Schweizer Verwaltungsräte stufen Unternehmenskultur gemäss swissVR Monitor der Vereinigung swissVR, des Beratungsunternehmens Deloitte sowie der Hochschule Luzern als Treiber für den Unternehmenserfolg und als Topthema ein, das noch wichtiger ist als Compliance oder Risikomanagement. Doch was ist Unternehmenskultur überhaupt und wie lauten die Schlussfolgerungen?

Unternehmenskultur, beziehungsweise der englischsprachige Begriff Corporate Culture, stammt aus der Organisationstheorie. Darunter zu verstehen sind die Entwicklung von gemeinsamen Werten, Normen und Einstellungen in einer Firma oder wie es Coach, Trainer und Autor Axel Rittershaus in der Computerwoche auf den Punkt bringt: „Unternehmenskultur ist das, was im Unternehmen passiert, wenn keiner hinschaut oder wenn es hart auf hart kommt.“ Dabei kann es sich um verschiedene Ereignisse und Reaktionen sowie die damit verbundenen Folgen handeln. Dazu zählen im schlimmsten Fall hohe Fehlzeiten, unproduktive Sitzungen, schlechte Leistungen, hoher Produktivitätsverlust, Gruppenbildung, Klatsch und Tratsch, Mobbing sowie hohe Fluktuationsraten, wie Alex Stöckli, Senior-Experte für strategisches HR, Gesundheit, Wellbeing, Engagement und Kultur, Anzeichen einer toxischen Unternehmenskultur beschreibt. Firmen mit besseren Kulturen haben hingegen oft zufriedenere Kunden, erbringen bessere finanzielle Leistungen und gewinnen leichter Talente, zählt Jelena Scheltema-Stellaard auf.

Daran zeigt sich der Charakter eines Unternehmens

Zudem kann die Unternehmenskultur Vorteile in Situationen wie der gegenwärtigen Corona-Krise bringen. Denn damit das Arbeiten aus dem Homeoffice funktionieren kann, braucht es ein bestimmtes Denken, erläutert Unternehmer und Blogger Jan Hossfeld. Führungskräfte seien gezwungen, Präsenz zugunsten von Zielerreichung zu beobachten. „Sie müssen darauf vertrauen, dass ihr Team eigene Mittel und Wege zur Selbstorganisation findet. Kommunikation, und in ihr viel Klarheit und Offenheit, zeigt nun einen besonderen Wert. Nicht, dass das vorher unwichtig war – aber jetzt ist es unabdingbare Voraussetzung für ein erfolgreiches Miteinander“, so Jan Hossfeld.
Daraus ergibt sich die Frage, woran sich Unternehmenskultur konkret zeigt. Der HR-Softwarehersteller Personio hat viele Beispiele dafür zusammengetragen. Demnach offenbart sich die jeweilige Unternehmenskultur im Umgang mit Konflikten und Fehlern, in der Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma, im Kommunikationsverhalten, in der Wertschätzung von Einsatz und Leistung, im Umgang mit Stakeholdern, in der Risikobereitschaft, der Feedback-Kultur sowie Familienfreundlichkeit. Kurz: darin, wie Mitarbeiter oder Kunden eine Interaktion erleben.

Unternehmenskultur entwickeln

Dies wiederum stellt Verantwortliche vor die Frage, wie sie ihre Unternehmenskultur am besten gestalten können. Dabei warten viele Fallstricke. So denkt nach Angaben von Axel Rittershaus mancher Manager, die Unternehmenskultur müsse für jeden passen, um möglichst viele potenzielle Mitarbeiter ansprechen zu können. Doch das Gegenteil sei der Fall. Unternehmenskultur müsse dem Ziel des Unternehmens entsprechen. Es gehe darum, wofür das Unternehmen stehe und was es erreichen wolle. Erst wenn dies geklärt sei, „können Sie sich darüber Gedanken machen, welche Kultur herrschen muss, um erfolgreich zu sein und welche Mitarbeiter dazu passen“, so Axel Rittershaus.

Demzufolge ist es von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, wie sich eine förderliche Firmenkultur am besten etablieren lässt. Dementsprechend vielfältig sind die Ratschläge. Die initio Organisationsberatung zum Beispiel empfiehlt sechs Schritte. Im ersten sollte die bestehende Unternehmenskultur analysiert werden. Anschliessend gehe es darum, eine „Soll-Kultur“ zu definieren und Veränderungsziele zu formulieren – möglichst spezifisch, attraktiv, realistisch und terminiert. Im vierten Schritt könne eine Veränderungsstrategie entwickelt werden. Das bedeute, herauszuarbeiten, welche Rahmenbedingungen verändert werden sollen, damit sich das Verhalten der Mitarbeiter und Führungskräfte dauerhaft daran anpasse. Stehe dies fest, könne eine Veränderungsarchitektur gestaltet werden. Dies beinhalte die Definition, in welcher Reihenfolge die Umsetzung erfolgen soll und welche Stakeholder wann mit welchem Ziel einbezogen werden. Nicht zuletzt müsse der Prozess am Leben gehalten werden, bis alle Meilensteine und Ziele erreicht wurden.

Aufwand, der sich lohnt

Axel Rittershaus zählt acht Schritte auf, mit denen Manager eine Unternehmenskultur etablieren können, in deren Gestaltung im Übrigen auch Kunden und Geschäftspartner einbezogen werden sollten. Dazu gehört, dass Manager selbst immer das vorleben sollten, was sie von ihren Mitarbeitern erwarten. Dieser Punkt werde am häufigsten vernachlässigt. Zudem gehe es darum, die Einhaltung der Unternehmenswerte einzufordern und Abweichungen davon sofort zur Sprache zu bringen. Ebenso müssen Führungskräfte Mitarbeitern den Rücken stärken und auf Warnsignale wie Abwanderungen achten. Damit es dazu nicht kommt, gelte es, Mitarbeiter einzustellen, die zur Unternehmenskultur passen. Dieser „culture fit“ sei höher zu bewerten als fachliche Exzellenz. Dafür wiederum schlägt Personio ein standardisiertes Vorgehen und das Befragen der Kandidaten in Form behavioristischer Fragen nach Normen und Werten vor.

Fazit: Die Tipps ergänzen einander. Wichtig ist zunächst die Frage, was ein Unternehmen erreichen möchte und welcher Rahmen dafür benötigt wird. Bei der Suche nach Antworten müssen die sich permanent verändernden Bedingungen berücksichtigt werden. Dies ist ein weites Feld. Dass sich der damit verbundene Aufwand jedoch lohnt, demonstrieren gegenwärtig die Unternehmen, die ihr Geschäft trotz der einschneidenden Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus mit flexiblen Arbeitsformen erfolgreich aufrecht erhalten können, wie im Blogbeitrag „Sinn und Bedeutung im Job erhalten jetzt noch mehr Relevanz“ dargelegt ist. Somit sollte die aktuelle Krise ein Anlass für Unternehmen sein, an ihrer Kultur zu arbeiten. Denn sie ist mehr als nur ein Trend.

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Autor: Jasmine Grabher