Laut dem schweizerischen Bundesamt für Statistik (BFS) sind ein Drittel der Erwerbsbevölkerung in der Schweiz älter als 50 Jahre. Bis zum Jahr 2050 soll der Anteil auf prognostizierte 35 Prozent steigen.
Mitarbeitende im Alter 50 plus sind loyaler und zeigen mehr Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen als ihre jüngeren Kollegen. Insgesamt 67 Prozent der schweizerischen KMUs stimmen dieser Aussage über ältere Beschäftigte zu. Das ergab die erstmals durchgeführte AXA KMU-Arbeitsmarktstudie. Zusammen mit dem Forschungsinstitut Sotomo wurden im Februar 2022 insgesamt 300 KMUs der deutsch- und französischsprachigen Schweiz online befragt. Die Studienteilnehmer bewerteten die über 50-Jährigen zudem als resilienter und leistungsbereiter.
Im Jahr 2021 hatten vier von fünf der befragten KMUs teilweise Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen. Mehrheitlich oder immer Mühe beim Recruiting hatten 37 Prozent.
Die Aussagen zu den Stärken der Menschen 50 plus stehen im Kontrast zur tatsächlichen Bereitschaft, Vakanzen mit älteren Bewerbern zu besetzen. Mehr als jedes dritte KMU stellt in der Regel keine Menschen ein, die das 55. Lebensjahr überschritten haben. Immerhin jedes fünfte KMU ist aber bereit, sogar Kandidaten eine Chance zu geben, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht oder hinter sich gelassen haben.
Im Bereich „Finanzen, Recht, Wissenschaft“ stellen die befragten KMUs auch noch Menschen um die 60 ein. Im Segment „Beratung, Verkauf“ liegt die Obergrenze bei 55 Jahren – trotz eines starken Mangels an Fachkräften.
Die Vorteile kleiner KMUs im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte
Als Gründe für die mühsame Suche nach neuen Mitarbeitenden nannten viele KMUs den angespannten Arbeitsmarkt und die Konkurrenz durch Grossunternehmen. Letztere
bieten häufig ein höheres Salär und attraktivere Karrieremöglichkeiten. Ausserdem profitieren sie von einem grösseren Bekanntheitsgrad.
Die AXA KMU-Arbeitsmarktstudie macht jedoch deutlich, womit kleinere KMUs punkten können. Die Gesundheit der Mitarbeitenden und insbesondere die psychische Gesundheit scheint in kleinen Unternehmen oft besser zu sein. Das zeigt sich daran, dass drei von vier der kleinen KMUs die psychische Robustheit ihrer Mitarbeitenden als eher gut oder sehr gut einschätzen. Bei den grossen KMUs sind es nur 47 Prozent.
In der Studie wurde auch untersucht, wie Krankheiten ihrer Mitarbeitenden die KMUs herausfordern. Psychische Erkrankungen sehen 42 Prozent der grossen KMUs als gewaltige Herausforderung, wobei sie zudem einen Anstieg über die letzten fünf Jahre beobachtet haben. Bei den kleinen KMUs sprechen lediglich elf Prozent von einer grossen Herausforderung durch psychische Krankheiten.
Risiken und Chancen der Generation 50plus auf dem Arbeitsmarkt
Dass Unternehmen vermehrt mit automatisierten Verfahren der Personalsuche arbeiten, erschwert die Lage für manch ältere Bewerbende. Sie werden mitunter aufgrund des Alters ausgefiltert, ohne dass ihre Vorzüge ausreichend gewürdigt werden oder sie sich in einem Vorstellungsgespräch beweisen können.
Umgekehrt sind alleine das Alter und die damit verbundene langjährige Erfahrung nicht in jedem Fall ein Vorteil. Sind die bisherigen Qualifikationen nicht mehr gefragt, weil es ein bestimmtes Berufsbild nicht mehr gibt, wird eine Neuorientierung nötig. Hat sich die Person allerdings schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte nicht mehr fortgebildet, fällt mitunter der Wiedereinstieg ins Lernen schwer.
An arbeitsmarktrechtlichen Massnahmen für über 50-Jährige werden in der Schweiz besonders häufig Einarbeitungszuschüsse und Einzelcoachings angeboten. Auch Grundlagenkurse im Informatikbereich gehören dazu. Tendenziell dauern Beschäftigungsprogramme länger als bei jüngeren Stellensuchenden.
Mit welchen Fähigkeiten punkten ältere Arbeitnehmer?
In Anlehnung an die Philosophie „Hire for attitude, train for skills“ zeigt sich die Bedeutung von Stärken, die nicht an der Hochschule gelehrt werden. Zudem entwickelt sich die Resilienz eines Menschen, seine Flexibilität oder die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen im Laufe des (Berufs)lebens.
Somit ist es wenig verwunderlich, dass langjährige Mitarbeitende bei diesen Eigenschaften oft einen Vorsprung haben. Jede schwierige Situation, die sie einmal gemeistert haben, gehen sie beim zweiten Mal entspannter an. Auch selbstständig zu arbeiten fällt den meisten Menschen mit zunehmender Erfahrung leichter.
Je kleiner das Unternehmen, desto relevanter ist es, dass die Mitarbeitenden Verantwortung übernehmen und selbstständig agieren. In Grossunternehmen ist der Entscheidungsbereich oft kleiner, sodass es weniger auffällt, wenn Mitarbeitende ungern Verantwortung tragen oder schlechte Entscheidungen treffen.
Die höhere Loyalität von Mitarbeitenden im Alter 50 plus hängt zudem oft mit der Betriebszugehörigkeit zusammen. Wer schon lange für das gleiche Unternehmen tätig ist, fühlt sich häufig auch stärker verbunden.
Die geringere Bereitschaft vieler Unternehmen, ältere Arbeitnehmer einzustellen, bestärkt diese zudem darin, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben und sich gar nicht erst zu bewerben.
Zusammengefasst wird deutlich, dass die Menschen der Generation 50 plus ein wichtiger Schlüssel sind, um dem Fachkräftemangel in der Schweiz zu begegnen. Dazu gehört ein realistischer Abgleich zwischen den Fähigkeiten und Kompetenzen der Fachkräfte zu den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Mit der nötigen Flexibilität seitens der Kandidaten in Kombination mit mehr Offenheit aufseiten der Unternehmen, lässt sich das Potenzial älterer Arbeitnehmer erfolgreich heben.
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Autor: Thomas Ritter