Das Aufdecken zum Teil skandalöser Missstände ist noch keine Fehlerkultur, wie Bundeskanzler Walter Thurnherr in einer Rede anmahnte. Im Gegenteil: „Die Angst vor Fehlern hindert die Innovation“, so das so das Magazin „Personalwirtschaft“. Wenn es darum geht, einen Schuldigen zu suchen, besteht die Gefahr, dass Informationen bewusst zurückgehalten werden und diese nicht konstruktiv aufgearbeitet werden können. Stattdessen zielt eine gute Fehlerkultur darauf ab, Pannen künftig zu verhindern, wie aus einem Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung deutlich wird.
In der Luftfahrt sei dafür die Just Culture etabliert. Davon können Unternehmen branchenübergreifend lernen. Der Just-Culture-Plattform, die sich für eine Verankerung des Konzepts im Schweizer Recht einsetzt, zufolge schafft Just Culture eine Atmosphäre des Vertrauens, in der Mitarbeiter ermutigt werden, sicherheitsrelevante Ereignisse zu melden und Informationen weiterzugeben. Diese wiederum befähigen eine Organisation, Probleme im System zu erkennen und gezielt Verbesserungsmassnahmen zur Erhöhung der Sicherheit einzuleiten. Unabhängig davon, ob Just Culture direkt gelebt wird oder der Umgang mit Fehlern anders bezeichnet wird, geht es darum, Potenziale zu nutzen.
In jedem Fehler verbergen sich viele Chancen, wie die WEKA Business Media AG erläuterte. Dies können etwa Möglichkeiten des Begreifens und Lernens sein, aus den Erfahrungen und Fehlern anderer Wissen zu erwerben, sich miteinander auszutauschen, das eigene Wachstum anzukurbeln, Fähigkeiten zu entwickeln, in sich schlummernde Potenziale auszubauen, Neues zu entdecken, Abläufe zu überdenken und anzupassen sowie sich Herausforderungen zu stellen. Um diese Potenziale zu nutzen, gelte es, das mit Fehlern verbundene „negative Wissen“ zu erschliessen. Dazu zähle, die Ursachen für den Fehler, die Situation, die zu ihm führte, und das Denken, das ihn ermöglichte, zu beleuchten. Fragen können unter anderem sein: Was hat wer wann, wo und wie getan, damit der Fehler entstehen konnte? Was wurde nicht beachtet? Was war nicht bekannt? Welche Informationen lagen nicht vor? Was ist in diesem Moment, in dem die Panne passierte, geschehen? Wo lag die eigene Aufmerksamkeit? Wer war daran auf welche Weise beteiligt? Welches vorherrschende Wissen und/oder Fähigkeiten führten zu diesem Fehler? Die daraus gewonnenen Informationen seien wichtig, „um zu erkennen, was falsch ist, zu begreifen, wie etwas nicht funktioniert, zu verankern, was nicht getan werden sollte, anders vorgehen zu können, diesen oder ähnliche Fehler nicht zu wiederholen, den Arbeitsverlauf anzupassen, ein erhöhtes Arbeitspensum zu vermeiden, Kunden zufriedenstellen zu können, die Zusammenarbeit gut aufeinander abstimmen zu können“ etc. Dazu sollten die Beteiligten überlegen, welches Fehlerwissen sie wem auf welche Art mitteilen. Dementsprechend beinhalte die Weiterentwicklung einer Fehlerkultur, solche Vorgehensweisen festzulegen. Weitere Beispiele dafür sind WEKA zufolge Definitionen, wie ein bestimmtes Missgeschick behoben wird, wer für die Lösung zuständig ist und wie Plan B aussieht.
Bei diesen Aufgaben handelt es sich um Führungsangelegenheiten. Immerhin können Vorgesetzte dadurch Probleme an der Basis realisieren und handeln, wie Philippe Ammann, Inhaber des Beratungsunternehmens Pilot Impuls, erläuterte. Darüber hinaus ist eine Unternehmenskultur, die innovatives Handeln und Lernen aus Fehlern bei den Beschäftigten fördert, nach Angaben im HR-Barometer nicht nur im Hinblick auf Innovation wünschenswert. Sie beeinflusse auch generelle Arbeitseinstellungen und das Erleben der Arbeitssituation positiv. „Beschäftigte in Unternehmen mit einer solchen Kultur berichten von weniger Stress, mehr Arbeits- und Laufbahnzufriedenheit, mehr Commitment, also Bindung an die Organisation, und geringeren Kündigungsabsichten.“
Für die Art, wie sich eine solche Fehlerkultur stärken lässt, gibt es sogar kreative Beispiele. Eines ist der „Day for Failure“, der dem Magazin „Personalwirtschaft“ zufolge in Finnland jährlich gefeiert wird, um die Fehler-Phobie im Land zu verringern. Er habe namhafte und erfolgreiche Unterstützer wie Jorma Ollila, den ehemaligen CEO sowie Vorstandsvorsitzenden von Nokia, und Peter Vesterbacka, den Erfinder des Online-Spiels Angry Bird. Im Start-up Auntie solle es bald sogar eine Mitarbeiterauszeichnung für die besten Fehler geben. So weit müssen die Massnahmen nicht zwangsläufig reichen. Jedoch sind im HR-Barometer konkrete Verbesserungsmöglichkeiten hierzulande ausgewiesen, „insbesondere hinsichtlich der Bereitschaft, Teams mehr Zeit für die Entwicklung neuer Ideen zur Verfügung zu stellen“. Zudem gelte es, die Unterstützung von Ideen durch Vorgesetzte über Abteilungsgrenzen hinweg zu verbessern und Beschäftigte noch stärker dabei zu begleiten, dem Risiko, Fehler zu begehen, offen zu begegnen.
Damit dies gelingt und alle Massnahmen möglichst gut in die Abläufe eingebettet werden können, sollten Unternehmen sich bei der Besetzung von Führungspositionen keinesfalls auf das Potenzial von Fehlern verlassen. Denn gute Führungskompetenzen sind nicht selbstverständlich und Fehler in diesem Bereich gehen meist nicht so aus wie im Fall von Alexander Fleming, der ein lebensrettendes Antibiotikum entdeckte, weil er eine alte Petrischale am Fenster vergessen hatte. Gerne unterstützen wir Sie, die passenden Führungskräfte zu finden.
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Autor: Roger Nellen