Legal Tech in der Schweiz: Veränderungen der juristischen Arbeitswelt

Die digitale Transformation führt in der Schweiz zum Einsatz neuer Technologien für juristische Fragen. Dank Legal Tech lässt sich Wissen aus vergangenen Fällen und Urteilen gezielter anzapfen. Durch Legal Tech können juristische Prozesse automatisierter, effizienter und folglich schneller ablaufen – ohne an Qualität und Präzision zu verlieren.

Der englischsprachige Begriff Legal Tech entstand aus der Digitalisierung der Rechtsbranche und der Justiz. Als Konsequenz dieser disruptiven Bewegung verändern sich die Wünsche und Erwartungen der Kunden und neue Geschäftsmodelle kommen auf den Markt.

Für die Entwicklung und Kalibrierung von Legal-Tech-Produkten wird Künstliche Intelligenz bereits genutzt. Jurist*innen für einfache Fälle durch „Rechtsroboter“ zu ersetzen, ist eine ähnlich fortgeschrittene Stufe wie das komplett autonom fahrende Auto. Noch viele Jahre werden Autofahrer*innen die Hand am Steuer behalten müssen. Dabei unterstützt die Technik sie immer besser. Ähnlich sieht es für Anwält*innen aus, die sukzessive für ihre Arbeit Effizienzvorteile durch Spezialsoftware nutzen können. Ihr juristischer Sachverstand und ihre lösungsorientierte Art zu denken ist heute und bleibt in der Zukunft unentbehrlich.

Der Einsatz von Legal Tech kann dazu führen, Rechtsprobleme künftig unterschiedlich behandelt werden. Für wiederkehrende und unkomplizierte Themen kümmert sich dann die Künstliche Intelligenz um den Fall – und liefert über einen Chatbot automatisiert die passende Antwort. Ein ähnliches Vorgehen ist heute schon bekannt, wenn zum Beispiel Verbraucher*innen ihre Ansprüche als Fluggast über ein Fluggastrechte-Portal wie cancelled.ch oder legalfly.ch durchsetzen. Somit könnten Menschen ohne juristische Fachkenntnisse in der Zukunft schneller, einfacher und preiswerter Rechtsbeistand bekommen.

Die Arbeitswelt für Juristen ist im Umbruch

Dank der Unterstützung durch Legal Tech können erfahrene Anwält*innen hochkomplexe juristische Fragen aus dem internationalen Wirtschaftskontext schneller und präziser bearbeiten. Der/die kompetente Jurist*in greift dabei im ersten Schritt auf Fachwissen und Erfahrung zurück. Zusätzlich werden mithilfe geeigneter Legal-Tech-Software in Sekunden passende Daten und Fälle der Vergangenheit analysiert. Die Suche nach hilfreichen Beispielen und Präzedenzfällen geschieht nicht nur schneller, sondern auch gründlicher.

Ob und wie stark Kanzleien oder die Rechtsabteilungen von Unternehmen Legal Tech-Produkte einsetzen, hängt von deren Ausrichtung ab. Die Jurist*innen nutzen die neue Technik, um ihren Fokus noch stärker auf hochwertige Beratung zu setzen. Für den Einsatz von Legal Tech brauchen sie digitale Kompetenz für die statistische Analyse von Daten (Predictive Analytics). Auch eine Aufgeschlossenheit gegenüber Themen wie Künstliche Intelligenz und Big Data wird immer wichtiger. Der Einsatz von Legal-Tech-Produkten führt voraussichtlich zu einer höheren Spezialisierung der Anwält*innen. Gleichzeitig gewinnt die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Teams aus Jurist*innen und IT-Spezialist*innen an Bedeutung.

Viele schweizerische Kanzleien und Unternehmen sind Legal Tech gegenüber aufgeschlossen. Für die rechtliche Recherche setzen sie häufig schon intelligente Lösungen ein. Auch nutzen sie bereits Software zur automatisierten Erstellung von Dokumenten und Verträgen oder zum Management von Kunden und Akten. Werden Termine und Fristen verlässlich und automatisch durch eine Software überwacht, können sich die Anwält*innen dank effizienter Prozesse verstärkt anspruchsvolleren Themen widmen.

Wie verändern sich die Anforderungen an Juristen durch Legal Tech?

Die Aus- und Weiterbildung in der Schweiz bietet vielfältige Vorlesungen und Kurse zum Thema Legal Tech. Dabei erstreckt sich die Bandbreite von einzelnen Modulen und Vorlesungen bis zu einem kompletten Certificate of Advanced Studies (CAS), wie zum Beispiel an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Damit scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Data-Science- und Legal-Tech-Inhalte in den Lehrplänen der juristischen Fakultäten zum Standard werden.

Jurist*innen müssen nicht programmieren können, verstehen aber idealerweise die neuen Technologien und setzen sie gezielt ein. Um sich auf Rechtsfragen zu Ledger Technology und Blockchain, Smart Contracts oder Digitaler Ethik zu spezialisieren, sollten sie diese Themen gründlich durchdringen.

Im englischsprachigen Raum kursiert bereits der Begriff „T-shaped-Laywer“, um auszudrücken, welche Kompetenz und Erfahrung Jurist*innen für die digitalisierte Welt benötigen. Dabei steht der vertikale Strich im T für die klassische Ausbildung und Praxiserfahrung im juristischen Bereich. Der Querstrich ergänzt dieses Spektrum durch Zahlenflair, Berufserfahrung und Fachwissen zu technischen und kommunikativen Fragen sowie weitere Soft Skills für die digitale Arbeitswelt.

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Autor: Thomas Ritter