„Das Büro ist zu klein und zu dunkel“, „zu wenig Platz für moderne Arbeitsplatzgestaltung“, „zu laut“, „zu heiss“, „zu kalt“ – die Liste der Punkte, die Beschäftigte an ihren Arbeitsorten kritisieren, ist lang. Dies ist unter anderem auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu ersichtlich. Auf der anderen Seite ist immer wieder von aussergewöhnlichen Arbeitsorten zu lesen. So kann eine Markenagentur schon mal in einer ehemaligen Eckkneipe residieren, wie das Magazin t3N berichtet, oder eine Kreativagentur in einer entweihten Kirche, so das Magazin PAGE. Mit der Corona-Pandemie kamen nach Angaben der Handelszeitung ausserdem Gartenhäuschen, Hausboote & Co. als Tiny Offices auf den Plan. Doch welchen Einfluss haben Arbeitsorte tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit und welcher Voraussetzungen bedarf es für beste Performance?
Dass Räume sich auf Menschen auswirken, ist unstrittig, wie auf der Info-Plattform Baumensch erläutert ist: „Räume können das Wohlbefinden fördern oder das Gegenteil bewirken. Räume beeinflussen unser Fühlen und Denken und unser Sozialverhalten.“ Leider widmen Bauherren diesem Zusammenhang „viel zu wenig Aufmerksamkeit“. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO bestätigt dies in einer Presseinformation zur Metastudie „Raumpsychologie für eine neue Arbeitswelt“ und die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) sowie das Expertennetzwerk Future Work Group pflichten der Aussage ebenfalls bei: Schweizer KMU unterschätzen den positiven Einfluss einer aktiven Arbeitsplatzgestaltung auf ihre Wettbewerbsfähigkeit stark und haben erheblichen Nachholbedarf, berichtet die Computerworld.
Dem Fraunhofer IAO zufolge lassen sich durch die physische Umgebung folgende wesentliche Faktoren beeinflussen: die Kommunikation, die Konzentrationsfähigkeit und kreative Prozesse sowie die Erholung, um sich nach herausfordernden Belastungen schnell regenerieren zu können. Beleuchtung, Geräuschpegel und Raumhöhe etwa spielen eine bedeutende Rolle für kreative Prozesse. Hohe Räume erzeugen kreativere Denkprozesse, während normalhohe und niedrige Decken die Konzentrationsfähigkeit ankurbeln. Zudem habe die Temperatur Auswirkungen. Der Studie nach lässt es sich bei einer Temperatur zwischen 26° C und 27° C am kreativsten arbeiten. Der Büroausstattungsanbieter Adapt Global Group verweist auf die Farbpsychologie als leistungsstarkes Werkzeug bei der Gestaltung von Arbeitsbereichen: „Bestimmte Farben können zur Verbesserung unserer Produktivität und unseres Wohlbefindens beitragen, während andere unsere Leistung beeinträchtigen.“ So helfe Blau beim konzentrierten, produktiven Arbeiten, Grün werde oft mit Produktivität und Kreativität in Verbindung gebracht. Darüber hinaus können Pflanzen ein sinnvolles Gestaltungsmittel sein, wie Coworking-Space-Anbieter WeWork erklärt: Pflanzen im Büroumfeld sorgen für deutlich höhere Zufriedenheit am Arbeitsplatz, heben das Konzentrationsniveau, erhöhen die Produktivität, bauen Stress ab und verbessern die wahrgenommene Luftqualität.
Weitere Aspekte sind in der Wegleitung zu den Verordnungen 3 und 4 zum Arbeitsgesetz des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO dargelegt – etwa zur Luft, zur Beschaffenheit des Lichts und des Arbeitsplatzes mit seinen Möbeln. So ist vorgeschrieben, dass in natürlich belüfteten Arbeitsräumen für jeden ständig anwesenden Arbeitnehmer ein Mindestluftraum von zwölf Kubikmetern vorhanden sein muss, sofern es sich bei der Arbeit um eine überwiegend sitzende Tätigkeit handelt. Ausserdem sollte spätestens ab einer Kohlendioxid (CO₂)-Konzentration von 2.000 parts per million (ppm) intensives Lüften angesagt sein, da Konzentrationen oberhalb von 1.000 ppm CO₂ Müdigkeit, Unwohlsein, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen auslösen können. Was die Beleuchtung betrifft, so sollte das Farbspektrum des Lichts einer tageslichtähnlichen künstlichen Beleuchtung entsprechen, wobei der Farbwiedergabeindex grösser als 90 sein sollte. Als Farbtemperatur sind zwischen 5300 und 6500 Kelvin angegeben und als Lichtintensität mindestens 600 Lux. Denn das Licht beeinflusse nicht nur das Sehen, sondern auch Tätigkeitsdrang, Betriebsamkeit, Unternehmungsgeist, physiologische Vorgänge wie Stoffwechsel, Kreislauf, Hormonhaushalt und Immunsystem sowie die Psyche. Ferner ist festgelegt, wie Arbeitsplätze und Arbeitsmittel nach ergonomischen Gesichtspunkten zu gestalten und einzurichten sind. So gelten etwa bestimmte Mindestanforderungen an Arbeitsstühle. Nicht zuletzt ist definiert, wie Lärm und Vibrationen zu vermeiden oder zu bekämpfen sind. Wer das alles nicht überblickt, der kann sich an folgenden einfachen Rat halten.
Die im Arbeitsgesetz verankerten Anforderungen müssen eingehalten werden, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Darüber hinausreichende Massnahmen sind freiwillig und können je nach Job sinnvolle Ergänzungen sein, wobei es immer auf das Gesamtbild ankommen sollte. Wie dieses entsteht, spielt ebenfalls eine Rolle. Psychologe Andreas Schubert, Geschäftsführer von Great Place to Work, sagte dazu in einem Interview mit dem Arbeitgebermagazin Faktor A: „Erfolgreiche Unternehmen fragen ihre Angestellten: ‚Wie arbeitet ihr? Was braucht ihr?‘ Sie binden ihre Leute bei der Entwicklung von Raumkonzepten mit ein. Natürlich findet dann trotzdem nicht jeder seinen Bedarf vollständig gedeckt, aber den der meisten ziemlich gut.“ Somit ist das Einbeziehen der Beschäftigten ein idealer Weg, der sich lohnt – im Übrigen nicht nur, um eine hohe Leistungsfähigkeit sicherzustellen, sondern auch, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Denn: „Die jungen Talente von heute wollen keine langweiligen und einfallslosen Büros mehr“, wie es Büroeinrichter Graef auf den Punkt bringt.
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Autor: Roger Nellen