Juristen steigen nach ihrem Studium bei Unternehmen unterschiedlicher Branchen ein oder bewerben sich bei einer Kanzlei. Alternativ bietet sich die wissenschaftliche Laufbahn in Forschung und Lehre an oder die Tätigkeit bei Gerichten und anderen Institutionen der öffentlichen Hand. Auch den Weg der Selbstständigkeit als Rechtsanwalt oder nach einer Zusatzausbildung als Notar schlagen manche Absolventen ein. Die Karrierewege in den Organisationen unterscheiden sich und das Salär differiert nach Arbeitgeber und Branche. Die höchsten Einstiegsgehälter bieten Konzerne und grosse Kanzleien, die häufig auf Wirtschaftsrecht spezialisiert sind. Dort ist die Karriere meist vorgezeichnet. Doch auch in kleinen und themenorientierten Kanzleien eröffnen sich spannende Aufstiegsmöglichkeiten. Dort haben schon junge Anwälte direkten Kontakt zu den Kunden, was in grossen Kanzleien eher unüblich ist.
Die KMUs sind das Rückgrat der schweizerischen Wirtschaft, bei den Kanzleien sieht es ähnlich aus. Laut der Universität St. Gallen beschäftigen 60 Prozent der schweizerischen Kanzleien maximal fünf Anwälte. Umgekehrt gelten selbst die grössten Kanzleien mit 200 Mitarbeitenden im internationalen Vergleich als eher klein. Zusammenschlüssen sind dennoch Grenzen gesetzt, um nicht in einen Konflikt bei der Betreuung von Mandaten zu kommen.
Wer sich als Jurist in der Schweiz in einem Unternehmen oder einer Behörde bewirbt, erhöht seine Karrierechancen mit dem Anwaltspatent oder dem Master in Law (LL.M.). Einen weiteren Pluspunkt weist der Bewerber auf, wenn er den LL.M. an einer renommierten Hochschule im Ausland erworben hat. Liegt die Ausbildungsstätte im englischsprachigen Raum, kennt der Kandidat die Fachbegriffe in Englisch und ist verhandlungssicher. Karrierefördernd ist zudem eine Promotion, die als Statussymbol und Zusatzqualifikation gilt. Mit ihr erwirbt der Doktorand Spezialkenntnisse, die für sein angestrebtes Fachgebiet nützlich sein können. Bei der Bewerbung um eine repräsentative Funktion kann der promovierte Kandidat leicht im Vorteil sein.
Auch eine fachliche Spezialisierung sowie überfachliche Qualifikationen können sehr nützlich sein. Zu Letzteren zählen zum Beispiel die Kenntnis gängiger Programmiersprachen, Erfahrung in agilem Arbeiten sowie Fachwissen zu Datenschutz, künstlicher Intelligenz oder Projektmanagement. Insbesondere für die Mitarbeit in einem FinTech sind diese Kenntnisse hilfreich. FinTechs brauchen juristische Fachkenntnisse, um die regulatorischen Anforderungen zu verstehen und adäquat umzusetzen. Die Start-ups bieten zwar im Durchschnitt niedrigere Gehälter als Unternehmen und Kanzleien, haben jedoch meist flexiblere Arbeitsbedingungen. Bei allen Unternehmen punkten Bewerber, wenn sie aufgeschlossen gegenüber digitalen Themen sind und eine hohe Sozialkompetenz mitbringen.
Wie schnell gelingt den Nachwuchsjuristen in Kanzleien der berufliche Aufstieg? Engagement und Kompetenz vorausgesetzt, können Juristen in fünf bis acht Jahren Partner werden. In dieser Zeit gehören lange Arbeitszeiten und ein hoher Leistungsdruck meist zum beruflichen Alltag.
Wer keine Partnerschaft anstrebt, verlässt die Kanzlei üblicherweise, bevor die Entscheidung ansteht. In der Schweiz schliessen mehr Frauen als Männer das Jurastudium ab. Danach arbeiten ähnlich viele Männer und Frauen in Top-Kanzleien. In den grössten Kanzleien werden trotzdem wenige Juristinnen Partner, europaweit nur 7 bis 16 Prozent. Wer die „gläserne Decke“ erfolgreich durchstösst, verfügt meist über ein stabiles Netzwerk, ein starkes Selbstbewusstsein und die nötige Portion Beharrlichkeit.
Unabhängig vom Geschlecht lässt sich die Partnerlaufbahn häufig schwer damit vereinbaren, eine Familie zu gründen. Um Talente nicht zu verlieren bieten immer mehr Kanzleien flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Jobsharing an. Ein Teilzeitpensum unterhalb von 80 Prozent ist trotzdem eher noch die Ausnahme. Dabei gilt es den Spagat zu schaffen zwischen den Anforderungen der anspruchsvollen Klienten und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden. Kanzleien, denen dies gelingt, und die einen höheren Anteil an Partnerinnen aufweisen, profitieren dreifach. Sie verlieren seltener bewährte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stehen als attraktiver Arbeitgeber dar. Gleichzeitig erfüllen sie die Anforderungen von Mandanten mit einem Diversity Index. Diese legen bei ihren Geschäftspartnern Wert darauf, dass Frauen nicht unterrepräsentiert sind. Da viele Untersuchungen bestätigt haben, dass diverse Teams innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher sind, ist das ein drittes Argument.
Je nach persönlicher Präferenz stehen Juristen nach ihrem Studium viele Wege offen. Dabei punktet der öffentliche Dienst mit einer höheren Jobsicherheit und eher familienfreundlichen Arbeitszeiten. Im FinTech warten viel Verantwortung, wechselnde Aufgaben und meist ein flexibles Arbeitsumfeld auf die Kandidaten. In Unternehmen und Kanzleien hängen die Karrierewege von der Unternehmensgrösse und Branche ab. Gleichzeitig ist vieles im Wandel, wie sich an Grosskanzleien beobachten lässt, die verstärkt auf flexible Arbeitszeiten setzen – und einen höheren Anteil an Partnerinnen anstreben.
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Autor: Thomas Ritter