CEO, CIO oder CDO: Wer geht in der digitalen Transformation voran?

Im digitalen Wandel optimieren Unternehmen ihre Prozesse und die Beziehung zu ihren Kunden. Sie entwickeln mit einer Digitalstrategie neue Geschäftsfelder und investieren in die Weiterbildung der Mitarbeitenden.

Die zentrale Frage lautet: Wer hat den digitalen Hut auf und schreitet mit einer klaren Vision voran? Ein einzelner Manager kann die Fülle der Themen kaum bewältigen: Trotzdem braucht es eine treibende Kraft, die unternehmensweit die strategischen Fäden in der Hand hält. Lange dominierte der Top-down-Ansatz, in dem der CEO die Richtung vorgab. Dann brach die Diskussion los, wie technikaffin der CEO als Digital Leader sein muss. Wird die Digitalisierung als reines IT-Thema behandelt (was sie nicht ist), gilt der Hauptverantwortliche für die IT, der Chief Information Officer (CIO), als passender Kandidat.

Die Beratungsgesellschaft Horváth & Partners befragte in ihrer Studie „Digital Value 2018“ über 200 Digitalisierungsentscheider der DACH-Region. Nachdem 2016 der CEO die Rangliste der digitalen Verantwortung anführte, nahm er 2018 nur noch den vierten Platz ein. Dafür rückte der CIO an die erste Stelle, die Plätze zwei und drei belegten der Chief Strategy Officer (CSO) und der Chief Digital Officer (CDO).

Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden idealerweise zwischen CEO, CIO und CDO abgestimmt: Die digitale Transformation ist eine Teamaufgabe. Dabei sollten die Personalabteilung, Produktion und Vertrieb mit am Tisch sitzen.

Der strategisch handelnde Chief Digital Officer

Viele Unternehmen stellen für das Management des digitalen Wandels einen Chief Digital Officer (CDO) ein. Bei ihm laufen die Themen der digitalen Transformation zusammen, und er steuert die zugehörigen Projekte.

Strategy&, die Strategieberatung von PwC, hat in ihrer Studie „2019 Chief Digital Officer“ untersucht, wie viele grosse börsennotierte Unternehmen einen CDO haben. Weltweit hat jedes fünfte der 2500 betrachteten Unternehmen einen CDO, europaweit 39 Prozent und in der Schweiz 38 Prozent der Unternehmen.

Der Europachef von Strategy&, Peter Gassmann, erläutert: „Über drei Viertel dieser Positionen in der Schweiz sind auf der Führungsetage der Unternehmen angesiedelt. CDOs entwickeln sich zu digitalen Strategen und müssen die Auswirkungen der Digitalisierung für ihr Unternehmen verstehen sowie zum eigenen Vorteil gestalten.“

Die fachliche Qualifikation der CDOs verschob sich in den letzten Jahren vom Marketing zu erfahrenen Beratern und Technologieexperten. In der Schweiz, Deutschland und Österreich kamen die Hälfte der CDOs aus dem Unternehmen und die andere Hälfte von aussen. Frauen finden sich bislang wenige, lediglich jeder zehnte CDO in der DACH-Region ist weiblich. Weltweit liegt der Anteil mit 15 Prozent weiblichen CDOs nur geringfügig höher.

Die Finanzbranche hat mit FinTechs und InsurTech schnelle und wendige Konkurrenz, weshalb es für Banken und Versicherungen enorm wichtig ist, Kundenprozesse digital neu aufzustellen. Dazu erklärt Dr. Daniel Diemers, Partner bei Strategy& Schweiz: „Die meisten CDOs sind weltweit und in der Schweiz in den Branchen Versicherung und Banken beschäftigt. Dies zeigt die enorme Bedeutung der Digitalisierung für die Finanzbranche. Die Schweiz ist zunehmend nicht nur eines der wichtigsten Zentren für den Bankensektor, sondern insbesondere auch für digitale Kryptowährungen. Der Fokus der Digitalstrategen sollte deshalb auf der Integration neuer Technologien in bestehende Geschäftsmodelle liegen.“

Externe Unterstützung für die digitale Transformation!

Findet sich kein passender Kandidat, setzen Unternehmen auf externe Beratung. Als Vorteil gilt der objektive Blick des Beraters von aussen, der nicht von Betriebsblindheit getrübt wird. Zudem bringt der qualifizierte Berater Erfahrung aus den Transformationsprozessen unterschiedlicher Unternehmen ein. Nachteilig ist jedoch, dass er das Unternehmen nur für eine begrenzte Zeit begleitet und dann der geordnete Know-how-Transfer erfolgen muss. Ausserdem verkaufen vereinzelt Berater ihre Konzepte unbesehen mehrfach, ohne das zu transformierende Unternehmen im Detail zu analysieren.

Ein weiterer Weg, sich der digitalen Transformation zu öffnen, sind Kooperationen mit Start-ups oder das Outsourcing ausgewählter Unternehmensbereiche. Statt das Know-how intern aufzubauen, kaufen es die Unternehmen ein.

Führung neu denken!

Wer für die digitale Transformation verantwortlich zeichnet, muss technikaffin sein und Erfahrung mit der digitalen Welt gesammelt haben. Genauso wichtig ist eine starke Orientierung am Kunden, damit das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt. Erfolgreiche Unternehmen verstehen die Wünsche ihrer Kunden, greifen sie auf und berücksichtigen sie schnell in ihren digitalen Geschäftsmodellen, Produkten und Serviceleistungen.

Die Arbeitswelt durchläuft gleichzeitig einen Paradigmenwechsel. Werden klassische Hierarchien, Silodenken und Linienstrukturen durch agiles Arbeiten und eine neue Fehlerkultur ersetzt, wird auch Führung und Kommunikation neu gedacht. Top-down-Ansätze funktionieren nicht mehr gut und Bottom-up ist gefragt. Da idealerweise jede Funktion im Unternehmen an der digitalen Transformation mitarbeitet, handelt es sich um eine unternehmensweite Bewegung. Von der Geschäftsführung über sämtliche Führungsebenen bis zu den einzelnen Mitarbeiter sind Ideen und aktive Mitwirkung gefragt.

Wie geht die Reise weiter?

Die digitale Transformation hat kein definiertes Ende. Der Blick auf die Bedürfnisse der Kunden, die Entwicklung des Marktes und die Wettbewerber bleibt eine Daueraufgabe, bei der nichts beständiger ist als der Wandel.

Insbesondere um junge Fachkräfte zu gewinnen, gilt es, die Unternehmenskultur auf den Prüfstand zu stellen und sie authentisch nach aussen zu kommunizieren. Damit ist weniger gemeint, die Start-up-Kultur zu kopieren und einen Tischkicker aufzustellen. Wer gehört wird und sich einbringen darf, sollte nicht länger an Lebensalter oder der Unternehmenszugehörigkeit festgemacht werden. Damit werden Entscheidungsprozesse automatisch stärker Bottom-up ausgerichtet. Eine offene Diskussionskultur spielt eine wichtige Rolle. Die Bedeutung flacher Hierarchien, flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsorte (Stichwort: Home Office) sollte trotzdem nicht in den Hintergrund rücken.

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Autor: Nicole Schmidt