Einer von vielen Aspekten der Digitalisierung wird mit „New Work“ bezeichnet. Zu neuen Formen der Arbeit gehört, dass Zeit und Ort keine wichtige Rolle spielen. Statt von 9 bis 18 Uhr im Büro zu sitzen, arbeiten die Mitarbeiter zeitlich flexibel zu Hause, im Coworking-Space oder im Café. Der Zugriff auf Dateien und Systeme erfolgt in der vernetzten Organisation über Mobil- und Cloud-Technologien. Social Enterprise Tools erleichtern die Kommunikation und ein stabiles Breitbandinternet ermöglicht preiswerte und unkomplizierte Videocalls.
Laut einer Umfrage der Intranet-Agentur HIRSCHTEC zusammen mit YouGov schätzen 55 Prozent der 18- bis 34-Jährigen in der Schweiz ihren digitalen Arbeitsplatz als modern ein. Für diese Bewertung spielen die Qualität und Verfügbarkeit zeitgemässer Hard- und Software sowie die Zugriffsmöglichkeiten von ausserhalb des Unternehmens eine Rolle. Bei den 35- bis 55-Jährigen sehen nur 45 Prozent ihren digitalen Arbeitsplatz als (sehr) modern an. Auch bei der Frage, ob im Unternehmen eine Kultur des Teilens und der Zusammenarbeit herrscht, waren die jüngeren Mitarbeitenden positiver gestimmt.
In Zeiten des Fachkräftemangels können ein digitaler Arbeitsplatz und Homeoffice helfen, begehrte Fachkräfte der Generationen Y und Z zu gewinnen. Ist jedoch das einzige Mittel der internen Kommunikation die klassische E-Mail, winken jüngere Mitarbeiter schnell ab. Sie bevorzugen es, mit Plattformen wie Slack oder Microsoft Teams zu arbeiten und erwarten ein Social Intranet.
Arbeiten die Mitarbeitenden örtlich und zeitlich flexibel, sind sie selbstbestimmter, innovativer und produktiver. Sie können berufliche und familiäre Aufgaben besser vereinbaren und ihr Stressniveau sinkt, wenn sie seltener pendeln. Wer allerdings ohne soziale Kontakte weniger produktiv ist und in engen Wohnverhältnissen kein Arbeitszimmer einrichten kann, ist im Büro besser aufgehoben.
Benötigen nicht mehr alle Mitarbeiter einen festen Platz, spart der Arbeitgeber Büroflächen ein. Mit flexiblen und massgeschneiderten Lösungen schafft er attraktive Arbeitsbedingungen und erhöht die Loyalität seiner Angestellten. Microsoft Deutschland hat schon 2014 die Anwesenheitspflicht für seine Mitarbeitenden abgeschafft. Sie können ihren Vertrauensarbeitsort innerhalb Deutschlands flexibel wählen: 9 von 10 Mitarbeitern nutzen diese flexiblen Arbeitsbedingungen.
Im Homeoffice kann die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben fehlen und sich das Gefühl einstellen, „always on“ sein zu müssen. Nicht jeder schafft es, seinen Tag alleine gut zu strukturieren und Pausenzeiten einzuhalten, wenn ihn niemand zum Kaffeetrinken abholt. Um nicht zu vereinsamen, kann das gelegentliche Arbeiten in einem Shared Office oder Coworking-Center hilfreich sein. Regelmässige Telefonkonferenzen und Videocalls mit Kollegen und Vorgesetzten sind für beide Seiten wichtig.
Sind die Mitarbeitenden sowohl im Unternehmen als auch von zu Hause tätig, richtet der Arbeitgeber meist keinen Arbeitsplatz im Homeoffice ein. Eher traditionelle Vorgesetzte legen zudem Wert auf die Anwesenheit ihres Teams und bemängeln die fehlende Sichtbarkeit der Mitarbeiter. Daher ist ein Sinneswandel vonnöten, weg von zu viel Kontrolle und hin zur Orientierung auf gemeinsame Ziele.
Beeinträchtigt es die Zusammenarbeit im Team, wenn die Mitarbeitenden nur unregelmässig im Büro anzutreffen sind? In diesem Fall kann das Unternehmen festlegen, dass sich alle an einem bestimmten Wochentag treffen. Wer nicht vor Ort sein kann, wird mit Video dazu geschaltet, per Skype oder Facetime ist das unkompliziert möglich.
Arbeiten Mitarbeiter aus dem Ausland, müssen Aspekt wie die Zeitverschiebung berücksichtigt werden. In einem international tätigen Unternehmen kann dies ein Vorteil sein, wenn der Kollege in Südostasien bevorzugt mit Kunden in Asien Kontakt hat.
Wer aus persönlichen Gründen vorübergehend oder dauerhaft im Ausland lebt, hat den Vorteil, dass er durch die räumliche Trennung weniger leicht betriebsblind wird. Er hat die Chance, seinem Unternehmen dank moderner Technik nahe zu sein und sieht es zugleich stärker von aussen.
Der frühere Techblogger Sascha Pallenberg ist seit 2017 als Head of Digital Transformation für die Daimler AG tätig. Daimler gewährt seinen Mitarbeitern das Recht auf einen Heimarbeitsplatz. Im Falle des digitalen Nomaden Pallenberg liegt dieser sogar einige Monate jeden Jahres in seiner Wahlheimat Taiwan.
Viele kleinere Unternehmen bieten auf Nachfrage oder als Standard flexible Lösungen an, bei denen die Mitarbeiter auch vorübergehend oder dauerhaft vom Ausland aus arbeiten können. Eine Unternehmensberatung aus Leipzig ermöglicht einem Mitarbeiter während seiner Reise durch Lateinamerika eigenverantwortlich für das Unternehmen zu arbeiten.
Die Digitalagentur Yay ist eine Remote Company und es gehört zur Firmenphilosophie, dass die Mitarbeiter arbeiten dürfen, wann und wo sie möchten. Die Prozesse und die interne Kommunikation funktionieren danke Slack, Google Meet und interner Ticketsysteme auch gut ohne Büro. Die COO Marloes Maas kann daher dem kalten Winter entfliehen und unkompliziert einige Wochen von der Karibik aus arbeiten.
Dank eines digitalen Arbeitsplatzes ist selbst der Einsatz am anderen Ende der Welt in einer abweichenden Zeitzone möglich geworden. Nicole Schmidt ist Partnerin bei Nellen & Partner und arbeitet seit dem Spätsommer 2019 von Chile aus für die Executive Search Boutique. In ihrem Digital Workplace zeigen sich die Vor- und Nachteile bei der Arbeit auf einem anderen Kontinent. Die technische Anbindung funktioniert für Nicole Schmidt in Chile reibungslos und sie kann arbeiten wie in der Schweiz. Sie ist intrinsisch motiviert, die Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber ist hoch und die neue Umgebung verleiht ihr einen Kreativitätsschub.
Mit nur fünf Stunden Zeitverschiebung gegenüber der Schweiz gelingt der Austausch mit Mandanten und Kollegen bestens. Für viele Bewerber sind Gespräche per Videokonferenz attraktiv, da sie Zeit und Wege sparen. Somit erlaubt selbst die Tätigkeit in einer durch persönliche Begegnungen geprägten Branche wie der Personalberatung den Remote-Einsatz. Als kleiner Nebeneffekt lässt sich die digitale Kompetenz der Bewerber auf den Prüfstand stellen.
Für Nicole Schmidt ist es immens wichtig, wegen der physischen Distanz die Beziehung zu den Kollegen und zum Heimatland permanent zu stärken. Dass die Teeküche und das gemeinsame Mittagessen fehlen, wirkt sich auf die emotionale Bindung aus. Das Teambuilding sollte daher durch regelmässigen Social Talk gepflegt werden.
Dank der Zeitverschiebung kann Nicole Schmidt flexibler während ihrer Hauptarbeitszeit Kandidaten in der Schweiz interviewen. Wer aus einer festen Beschäftigung heraus eine neue Stelle sucht, ist an Gesprächen zu Randzeiten interessiert. Gleichzeitig ist es wichtig, den Zeitunterschied ständig im Blick zu behalten. Sind gegen Ende des eigenen Arbeitstages noch Themen offen, haben die Kunden, Kandidaten und Kollegen in der Schweiz längst Feierabend oder schlafen schon.
Wer örtlich weit entfernt und gar in einem anderen Kulturkreis lebt, ist gut beraten, das Land seines Arbeitgebers im Blick zu behalten. Nicole Schmidt hält sich gezielt auf dem Laufenden und informiert sich über die schweizerische Wirtschaft und Politik sowie den Arbeitsmarkt.
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Autor: Nicole Schmidt