Wie innovativ, vernetzt und nachhaltig ist der Schweizer Finanzplatz?

Der Bundesrat hat einen Massnahmenplan veröffentlicht, um den Finanzplatz Schweiz wettbewerbsfähig zu halten und zukunftsfähig aufzustellen. Der Finanzplatz soll exzellente Finanzdienstleistungen anbieten und in In- und Ausland sicher, integer und vertrauenswürdig wahrgenommen werden. Die Strategie: Die Finanzinstitute sollen innovativer, vernetzter und nachhaltiger werden.

Diese Ziele ergänzen die bekannten Stärken des Finanzplatzes, insbesondere die rechtliche, politische und finanzielle Stabilität sowie Sicherheit und Vertrauen. Diese Alleinstellungsmerkmale und Vorteile haben der schweizerischen Finanzbranche bislang gut durch die COVID-19-Krise geholfen. Auch der Fokus auf die Verwaltung von Vermögen und Hypotheken hilft den Banken in der Schweiz. Trotz der Pandemie ist 2020 zudem die Zahl der Firmenkonkurse nur wenig angestiegen.

In der internationalen Vermögensverwaltung ist der schweizerische Finanzplatz weltweit führend. Allerdings holen asiatische Standorte wie Singapur oder Hongkong auf. Ausserdem verändern sich international die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Vermögensverwaltung.

Trotz eines Rückgangs seit der Finanzkrise 2008 macht die Wertschöpfung des Finanzplatzes die Finanzwirtschaft zur zweitstärksten Branche der Schweiz. Im Jahr 2019 betrug ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt 9,2 Prozent und die Zahl der Mitarbeitenden entsprach 5,2 Prozent der Beschäftigten insgesamt. Der anhaltend hohe Druck auf die Margen wegen des niedrigen Zinsniveaus macht dem Schweizer Finanzplatz trotzdem zu schaffen und belastet die Bankbilanzen. Die Konkurrenz durch Fintechs und Techkonzerne mit Bankdienstleistungen bringt traditionelle Banken zusätzlich in Zugzwang.

Was steckt im Einzelnen hinter dem Massnahmenplan und seiner strategischen Stossrichtung innovativ, vernetzt und nachhaltig?

Innovativ neue Technologien nutzen und international vernetzt zusammenarbeiten

Technologieneutral will der Bundesrat Innovation und disruptive Geschäftsmodelle in der Finanzbranche fördern. Dabei unterstützt er standardisierte Schnittstellen in der Finanzbranche sowie zwischen Staat und Unternehmen. Auch die Prävention und Mitigation von Cyberrisiken und vergleichbaren Bedrohungen stehen auf der umfangreichen Agenda.

Innovative Banken und Versicherungen setzen längst auf die Vielfalt neuer Technologien und sind zur Zusammenarbeit mit Fintechs bereit, wenn es zu Synergien führt. Dabei bringen die klassischen Banken oft den Kundenkontakt ein, während Start-ups als Innovationspartner mit kundenorientierten digitalen Lösungen punkten.

Datenschnittstellen zu neuen Anbietern ermöglichen auch Kooperationen mit Techkonzernen. Regulierte und nicht regulierte Anbieter sollen nach der Vorstellung des Bundesrats auf dem Finanzmarkt noch effizienter zusammenarbeiten. Daher prüfen das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA eine modularere Gestaltung der Bewilligung und differenziertere Aufsichtsmodelle. Gleichzeitig sollen die Wettbewerbsneutralität gesichert und Konzentrationsrisiken vermieden werden.

Das EFD hat sich auf die Fahnen geschrieben, Innovation im Finanzmarkt zu fördern. Dazu gehören auch bessere Rahmenbedingungen für Start-ups. Hürden in der Nutzung von Blockchain-Technologien sollen beseitigt werden und damit verbundene rechtliche Risiken minimiert.

Für die Schweiz und ihre vernetzt agierenden Finanzinstitute sind offene Märkte und eine intensive und vertrauensvolle Vernetzung in Europa und weltweit essenziell. Daher setzt sich der Bundesrat dafür ein, dass nationale Rahmenbedingungen der Schweiz international als gleichwertig anerkannt werden.

Mit Blick auf die Agenda 2030 nachhaltig agieren

Der Bundesrat strebt an, die Schweiz als führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu stärken. In dem Zusammenhang sorgt er für eine umfassende Stabilität des Finanzsektors und einen integren Finanzplatz mit entsprechenden Mechanismen der Transparenz. Korruption, Geldwäsche, die Finanzierung von Terrorismus oder dem Handel mit Menschen, illegalen Waffen und Drogen soll noch stärker bekämpft werden.

Nachhaltig zu handeln ist für Banken, Versicherungen sowie Fin- und Insurtechs längst essenziell. Vielen Kunden ist es wichtig, dass sie ihr Geld bei einem Unternehmen anlegen, das sich Zielen der Nachhaltigkeit verpflichtet. Wie die Ziele erreicht und eingehalten werden, möchten sie genau wissen und wünschen sich transparente Informationen.

Im Jahr 2019 beliefen sich die nachhaltigen Finanzanlagen in der Schweiz auf 1163 Milliarden Schweizer Franken. Gegenüber dem Jahr 2015 hat sich das Volumen verachtfacht.

Trotzdem zeigte der PACTA2020-Test auf Klimaverträglichkeit, dass der Schweizer Finanzmarkt neben ersten Fortschritten noch einige Hausaufgaben in Sachen Nachhaltigkeit erledigen muss. Auf Initiative des Bundesamts für Umwelt und in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen nahm der schweizerische Finanzmarkt an einem repräsentativen Test teil. Dabei zeigte sich, dass der Anteil an Investitionen in die Förderung von Erdöl und Kohle noch zu hoch liegt.

Ein wichtiger Bestandteil des Massnahmenplans des Bundesrats ist die höhere Transparenz für Umweltrisiken. Sie soll zu besseren und effizienteren Entscheidungen der Kapitalanleger führen. Greenwashing lässt sich vermeiden, wenn die Anleger externe Kosten durch Umweltschäden sehen und verstehen.

Mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit Fachkräfte gewinnen

Um seine Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sicherzustellen, soll der Finanzplatz beitragen, die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen. Zudem strebt der Bundesrat an, den Finanzplatz Schweiz als führend bei digitalen Technologien im Bereich Sustainable Finance (Green Fintech) zu positionieren und international zu vermarkten.

Mit diesem Engagement für Umweltthemen und Sozialstandards spricht die Finanzbranche jüngere Menschen als Kunden an, aber auch als potenzielle Mitarbeitende. Wer nach dem Studium den Berufseinstieg plant, hat nicht immer nur Salär und Karriere im Kopf. Auch der Sinn der Tätigkeit und wie der Arbeitgeber zu Fragen der Nachhaltigkeit eingestellt ist, gehen in die Gleichung ein.

datum:

Autor: Thomas Ritter