Die Coronapandemie verändert die Arbeitswelt vielfältig. Homeoffice und mobiles Arbeiten sind selbstverständlicher geworden und Projekte der digitalen Transformation gewinnen an Bedeutung. Die Mitarbeitenden achten in der Krise darauf, wie fürsorglich und flexibel ihr Arbeitgeber agiert – und darüber kommuniziert.
Durch COVID-19 stossen viele Unternehmen Prozesse der Veränderung an. Meist verordnet die Geschäftsleitung die Projekte und ausserhalb agiler Strukturen setzen Führungskräfte diese um. Die Change Manager schauen aus der Vogelperspektive auf die betrieblichen Abläufe und kennen nicht immer alle Details des Tagesgeschäfts.
Liegt es daher nicht nahe, die Mitarbeitenden aktiv in den Veränderungsprozess einzubeziehen? Das setzt voraus, dass die Führungskräfte ihre „Helikoptersicht“ ablegen und sich ehrlich und regelmässig für das Feedback ihrer Mitarbeitenden interessieren. In konservativen Unternehmenskulturen ohne aktiv gelebte Fehlerkultur ist das eher schwierig. Dem Projektleiter behagt es zudem persönlich nicht immer, kritische Stimmen aus der Belegschaft zu hören.
Damit ein offener und ehrlicher Dialog gelingt, von dem alle Beteiligten profitieren, braucht es die passende Kommunikationskultur. Statt nur top-down zu kommunizieren, schaffen Unternehmen im Idealfall regelmässig Zeit und Raum für informellen Austausch und Alltagskommunikation.
Das kurze und auch fachliche Gespräch über die Grenzen von Teams und Abteilungen hinweg findet in der Teeküche oder Kantine statt. Stärker institutionalisiert können daraus hierarchieübergreifende Begegnungen in Workshops, internen Barcamps oder einer Zukunftswerkstatt werden. Mit den richtigen Hilfsmitteln bietet auch der digitale Raum solche Formate und ermöglicht, dass sich die Menschen offen und authentisch begegnen.
In welchen Abständen sich Mitarbeitende und Führungskräfte treffen, spielt keine Rolle. Entscheidend ist eine vertrauensvolle Atmosphäre, damit alle Teilnehmer frei sprechen können.
Die Mitarbeitenden, die im engen Kontakt mit den Kunden arbeiten oder die Produkte herstellen, erkennen oft besonders gut, wo es hakt – und woran ein Change-Projekt scheitern könnte. Langjährige Mitarbeitende kennen die Abläufe tiefergehend und neue Mitarbeiter bringen den Vergleich zu früheren Arbeitgebern und deren Change Management ein.
Werden die Vorschläge oder Einwände der Mitarbeitenden gehört, liegt eine klassische Win-win-Situation vor. Das Unternehmen profitiert von Verbesserungsvorschlägen aus der Praxis, optimiert bestenfalls seine Prozesse und spart Beraterstunden ein. Ausserdem lassen sich so versteckte Talente im Team erkennen. Wer sich mit durchdachten Ideen hervortut, qualifiziert sich für höhere Aufgaben.
Die Mitarbeitenden sind motiviert und fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Kommunizieren sie dieses Gefühl nach aussen, werden sie als Markenbotschafter ihres Arbeitgebers wahrgenommen. Die stärkere Loyalität spielt in Zeiten des Fachkräftemangels eine wichtige Rolle.
Die Employee Voice ermöglicht Mitarbeitenden, ihre Ideen, Bedenken und Perspektiven auszudrücken. Sie können über ihr Feedback Entscheidungen im Unternehmen mit beeinflussen. Im Idealfall äussern sich die Mitarbeitenden authentisch und ohne Angst vor negativen Konsequenzen am Arbeitsplatz.
Für einen erfolgreichen Change-Prozess ist es wichtig, dass alle den Freiraum und die Chance bekommen, gehört zu werden. Haben sich Unternehmen Diversität auf ihre Fahnen geschrieben, profitieren sie von einem vielstimmigen Feedback. Auch zurückhaltende Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen. Hierzu empfiehlt es sich, ergänzend zu (Online)Meetings schriftlich und digital Ideen zu sammeln.
In Zeiten der Pandemie stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die ungeplanten Begegnungen in der Teeküche digital zu ermöglichen. So können nach dem Zufallsprinzip zugeloste Paare von Kolleginnen und Kollegen beim Online Lunch gemeinsam Ideen entwickeln. Um den Austausch über Hierarchiegrenzen hinweg zu fördern, bewegen sich Führungskräfte in Zoom durch Breakout-Räume und tauschen sich mit den Mitarbeitenden aus.
Bei allem Mitspracherecht und Beziehung auf Augenhöhe muss klar kommuniziert werden, dass der Change Manager die Fäden in der Hand hält und das letzte Wort hat. Sich einbringen zu können, heisst nicht immer zwangsläufig, auch in allen Punkten mitzuentscheiden.
Planen Führungskräfte Veränderungen, können Mitarbeitende zu ihren wichtigsten Unterstützern im Change-Prozess werden. Ihr Detailwissen ermöglicht, die Planung der Change-Prozesse zu optimieren. Aus ihrer langjährigen Erfahrung sehen sie oft Schwierigkeiten voraus, die das Change-Projekt (noch) nicht berücksichtigt.
Ein Forschungsprojekt der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ging der Frage nach, wie es gelingt, Mitarbeiter im Change-Prozess zu Mitstreitenden zu machen. Es hängt von der Art und Weise ab, wie sich die Mitarbeitenden einbringen. Erwartungsgemäss kamen lösungsorientierte Vorschläge bei den Führungskräften besser an und diese liessen sich von den Ideen inspirieren.
Liefern die Mitarbeitenden konkrete Hinweise zur Verbesserung und Umsetzung, wird ihr Lösungsvorschlag eher gehört. Wer ein Problem erkennt, aber keine Lösung anbietet, wird wenig beachtet. Mitunter werden die Mitarbeitenden als Nörgler angesehen und ihre Kritik stösst pauschal auf Ablehnung. Da sie sich mit ihrem Feedback weder gehört noch angenommen fühlen, verlieren sie an Motivation. Möglicherweise überträgt sich ihre Ernüchterung auf die Kollegen. Dann äussern auch sie ihre Ideen nicht mehr, selbst wenn sie lösungsorientierte Vorschläge hätten.
Besonders auf die Employee Voice hören Unternehmen, die einen eigenen Start-up-Inkubator aufbauen. Statt kreative und innovative Mitarbeitende an die Selbstständigkeit zu verlieren, bieten sie den nötigen Freiraum und profitieren von ihren Ideen.
Teamarbeit und eine Abkehr vom Silodenken ist gefragt, damit die Employee Voice das Change Management zielführend unterstützen kann. So erkennt im ersten Schritt ein Mitarbeiter den Fallstrick und äussert Bedenken. Kommunizieren Team und Führungskraft regelmässig und transparent, können alle den Faden aufnehmen. Ein Kollege erkennt, wie sich das Problem lösen lässt und liefert einen kreativen Vorschlag.
Eine transparente Kommunikationskultur und offen agierende Führungskräfte, die auf die Employee Voice hören, können die Qualität von Change-Prozessen verbessern. Gleichzeitig wird die Arbeitgebermarke gestärkt, wenn das Unternehmen nach aussen innovativ wahrgenommen wird und die Mitarbeitenden gehört werden.
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Autor: Nicole Schmidt