Ein Unternehmen zu gründen verschlingt viel Kapital: Auch das weitere Wachstum verlangt Finanzspritzen. Dabei sind im Zeitalter der Digitalisierung wendige und skalierbare Geschäftsmodelle gefragt. In der Konsequenz sollten die Unternehmensfinanzierung und Kapitalerhöhungen möglichst flexibel erfolgen.
Das Blockchain-Ökosystem ermöglicht es, Eigentumsrechte an Vermögenswerten digital abzubilden. Die Tokenisierung erlaubt den Handel mit digitalen Assets. Die Asset-Token sind unveränderbare digitale Schlüssel, die das Unternehmen oder die Eigentümer eines Vermögensgegenstandes erstellen. Von Aktien und Anleihen über Rohstoffe und Immobilien sind der Fantasie wenig Grenzen gesetzt.
Selbst das Eigentum an einem Gemälde oder einem Baum lässt sich in digitale Token aufteilen. Neben Werten und Schuldverhältnissen an materiellen Vermögensgegenständen eignen sich auch immaterielle Güter für die Tokenisierung. Dabei kann es sich um Lizenzen oder Rechte handeln. Mit allen Rechten und Pflichten werden die Token sicher und transparent (nahezu) in Echtzeit gehandelt, aufbewahrt und übertragen.
Die Kotierung an der Börse stellt für ein Start-up eher keine Option dar, um Risikokapital einzusammeln. Eine Neugründung benötigt meist nicht das Finanzvolumen, das einen Börsengang rechtfertigt. Zudem ist der Prozess langwierig und kostenintensiv.
Die Tokenisierung bietet daher kleinen und mittelgrossen Unternehmen neue und flexible Möglichkeiten der Finanzierung. Entscheiden sie sich im Zuge eines Initial Coin Offering (ICO) für digitale Wertpapiere, übernimmt die Blockchain die Funktion der Börse. Statt ein Venture Capital Unternehmen oder einen Business Angel zu finden und zu überzeugen, sprechen sie eine grössere Zahl potenzieller Investoren an. Dazu gehören institutionelle Investoren und Private-Banking-Kunden, die sich unkompliziert an KMUs beteiligen möchten und für die digitale Assets interessant sind. Die geringere Abhängigkeit von einzelnen Grossanlegern reduziert für die Gründer das Risiko, ihr Unternehmen durch den Verkauf grosser Anteile zu verlieren. Sie können vorab festlegen, welche Ansprüche die Käufer von Token geltend machen können.
Die Kosten der Beschaffung von Kapital über dezentrale Netzwerke liegen deutlich niedriger als in der klassischen Unternehmensfinanzierung. Gleichzeitig lässt sich der Kreis der Investoren auf der ganzen Welt erweitern. In Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen suchen auch viele private Anleger nach Alternativen zum Sparbuch.
Als „kleinen Börsengang“ wickeln junge Unternehmen ein ICO oder ITO (Initial Token Offering) auf der Blockchain ab. Investoren bieten eine Finanzspritze an, wenn sie das vom Start-up verfolgte Geschäftsmodell als zukunftsträchtig einschätzen. Im Rahmen dieser unregulierten Art von Crowdfunding bezahlen sie ihren Anteil in Kryptowährungen und erhalten dafür Token. Mit den schnellen, effizienten und sicheren Transaktionen erreichen die KMUs mehr Investoren.
Security Token, auch Equity Token genannt, stellen eine Beteiligung des Anlegers am Unternehmen dar – und an potenziellen Gewinnen. Token können unterschiedliche Rechte des Investors repräsentieren: Mit Firmenanteilen und gar mit einem Stimmrecht am Unternehmen sind sie sehr weitreichend ausgestaltet. Sogenannte „Utility Token“ hingegen ermöglichen lediglich den Zugang zu einer Plattform, um ein Produkt des Start-ups zu erwerben oder einen Service zu nutzen.
Wie sieht die Praxis des Handels mit Token aus? Auf dezentralen Handelsplätzen können Token zu niedrigen Kosten emittiert und gehandelt werden. Die nachvollziehbaren Transaktionen brauchen weder Papierurkunden noch den Eintrag in ein zentrales Register.
Das Security Token Offering (STO) ist stärker reguliert und technisch noch sicherer als ICOs. Wer ein STO vornimmt, verpflichtet sich, an den Käufer eine Dividende auszuschütten, vergleichbar einem „normalen“ Wertpapier. Manche Marktteilnehmer sehen darin die Finanzierung der Zukunft für Start-ups und KMUs.
Eine deutsch-schweizerische Erfolgsgeschichte der Finanzierung mit STOs zeigt die Entwicklung der AdTechs Hygh. Das in Berlin gegründete Start-up hat in Zug einen zweiten Firmensitz. Hygh revolutioniert mit seinem Angebot die Aussenwerbung von Unternehmen. Über die Plattform von Hygh und auf ihrem Endgerät können Werbetreibende ihre Aussenwerbung effizienter steuern und schalten.
Das Start-up profitiert davon, dass die Anleger sich unkompliziert und direkt ab einem Anteil von 500 US-Dollar an ihrem Unternehmen beteiligen können. Für den STO gelten die Regularien der Börsenaufsicht SEC in den USA. Die Rendite auf die Anteile errechnet sich als Prozentsatz des Nettoumsatzes aus den geschalteten Kampagnen. Diesen Betrag schüttet das Unternehmen quartalsweise an seine Investoren aus.
Noch nicht abschliessend beantwortet wurde bislang die Frage, ob und wann es zu einer gesamteuropäischen Lösung der Regulatoren kommt. Die Finanzaufsicht legt fest, wie vollständig und transparent die Anleger vor ihrer Investitionsentscheidung aufgeklärt werden müssen. In der Schweiz entwickelt sich derzeit ein umfassendes Ökosystem für digitale Vermögenswerte. Dank der Kosteneffizienz und dem vereinfachten Zugang zum Kapitalmarkt sind Token eine attraktive Option zur Finanzierung von KMUs und Start-ups.
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Autor: Thomas Ritter