Geeignete Mitarbeiter zu finden, gestaltet sich insbesondere für Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten, sogenannte kleine und mittlere Unternehmen (KMU), schwierig. Die begehrten Fach- und Führungskräfte entscheiden sich nicht selten eher für Karrieren in Konzernen, in denen häufig nicht nur mehr Geld gezahlt wird, sondern in denen auch das Human-Resource-Management (HRM) anders vonstattengeht. Doch auch KMU können mehr der gefragten Mitarbeiter für sich gewinnen, wenn es ihnen gelingt, ihr HRM professioneller auszurichten.
In vielen KMU gibt es Lücken im Personalmanagement. Zeitliche Ressourcen sowie fachliches Know-how sind im Vergleich zu Grossunternehmen eingeschränkter, so die Fachhochschule Nordwestschweiz. Oft existiert keine HR-Abteilung, sondern die Geschäftsführer oder einzelne Personen der Geschäftsleitung sind für den Bereich Personal verantwortlich – neben vielen anderen Aufgaben. Daraus resultiert, dass Personalplanung und -entscheidungen weniger systematisch erfolgen. Aufgaben wie das Controlling werden häufig ganz vernachlässigt. „Man kann schon sagen, dass die Hemmschwellen hin zum Digitalen bei Konzernen geringer sind als bei KMU. Das gilt für den Einsatz von Social Media, die digitale Steuerung, die Nachverfolgung und Erfolgsmessung der Kommunikation mit Kandidatinnen und Kandidaten“, sagte Dr. Jens Stief, Geschäftsführer XING E-Recruiting, in einem Interview mit der Zeitschrift „Personalwirtschaft“. Aber auch für Weiterbildungen fehlen Zeit und Geld, Karrieren werden nicht geplant.
Dabei haben KMU auch Vorteile gegenüber Konzernen. So ist die Atmosphäre dort mit den nach Angaben des Bundesamtes für Statistik fünf Beschäftigten in der Schweiz familiär. Die Mitarbeiter kennen sich nicht nur gegenseitig, sondern haben auch direkten Kontakt zu Vorgesetzten. Die persönliche Wertschätzung ist mit der in Konzernen nicht zu vergleichen. Zudem gibt es weniger Hierarchiestufen, sodass Reaktionen auf Veränderungen flexibler und schneller möglich sind. Ob ein kurzfristiger Messebesuch, spontaner Urlaub oder ein Seminar – vieles lässt sich unkompliziert über ein Gespräch mit dem Chef realisieren, während in Konzernen strikte Vorgaben herrschen und häufig Vorlaufzeit benötigt wird. Voraussetzungen sowie Strukturen in KMU unterscheiden sich also in vielen Punkten von denen in grossen Unternehmen und erfordern dementsprechend andere Lösungsansätze.
KMU sollten nicht die HR-Massnahmen von Konzernen übernehmen – im Gegenteil. Es gilt, die Funktionsweise von KMU sowie die Besonderheiten und Stärken zu berücksichtigen. Die Fachhochschule Nordwestschweiz beispielsweise hat deshalb im Rahmen eines Forschungsprojekts eine neuartige Herangehensweise für Personalmanagement in KMU entwickelt. Beim sogenannten integrierten Personalmanagement „werden die ‚klassischen‘ Felder des Personalmanagements, wie sie in grösseren Unternehmen existieren, nicht einzeln bearbeitet, sondern – soweit möglich und sinnvoll – miteinander verknüpft“, heisst es auf der Website. Durch passende Massnahmenkombinationen gelinge es, betriebsspezifische Potenziale gezielt zu nutzen und dabei den Herausforderungen sowie Besonderheiten von KMU gerecht zu werden.
Fast immer eine dringende Aufgabe in KMU ist es, die strategischen Voraussetzungen für ein funktionierendes Ineinandergreifen der einzelnen Prozesse und professionelles Personalmanagement zu schaffen. Es genügt nicht, eine Software, zum Beispiel für Bewerbermanagement, einzuführen. Einmal abgesehen davon, dass die Automatisierung bei weniger Mitarbeitern und Bewerbern aufgrund der geringeren Prozesshäufigkeit weniger Vorteile bringt, müssen vielmehr sämtliche Aufgaben im Zusammenhang betrachtet und optimiert werden. So kann es sinnvoll sein, die Arbeitsmotivation zu steigern, Personal zu schulen, Wissensmanagement und Innovation zu fördern, die Mitarbeiter am Recruiting zu beteiligen und/oder Management-Methoden zu verändern, um eine starke Arbeitgebermarke zu etablieren.
Sowohl fehlende Zeit als auch fehlendes Know-how können KMU leicht kompensieren und sogar in Stärken umwandeln, wenn sie sich professionelle Unterstützung von aussen holen. Je nach Bedarf lassen sich verschiedene Aufgaben an HR-Dienstleister wie Executive-Search-Boutiquen outsourcen. Wichtig ist, dass der Partner sowohl über Branchenwissen verfügt als auch die Zusammenhänge von Prozessen und die Unternehmenskultur versteht. Erfahrung und Netzwerke sind von Vorteil. Darüber hinaus gilt es, sich auf das passende Vergütungsmodell zu einigen, wie im Beitrag „Das Executive Search als langfristiger Partner der Unternehmen“ beschrieben ist. Somit erfordert auch die Auswahl eines passenden Outsourcing-Partners ein gezieltes Vorgehen und es ist es vor allem eines, das KMU von Konzernen lernen können: strategisches Vorgehen. Verbunden mit der passenden Unternehmenskultur können sie dann erfolgsentscheidende Vorteile im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter erlangen.
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Autor: Jasmine Grabher