Neues Jahr, neue Chance. Das gilt auch für viele Führungskräfte, die jetzt in ein anderes Unternehmen gewechselt sind, die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklommen haben oder deren „guter Vorsatz“ dies ist. Dabei müssen sie jedoch einige Herausforderungen meistern und Fettnäpfchen umgehen. Schaffen sie dies in den ersten 100 Tagen, stehen die Chancen gut, langfristig in der neuen Position erfolgreich zu sein.
Ursprünglich stammt die 100-Tage-Frist aus der Politik. Sie ist eine Faustregel des Journalismus, die einem neuen Amtsinhaber diese Zeitspanne zugesteht, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Sie geht auf den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zurück, der Medienvertreter um diese Schonfrist gebeten hatte. Genauso strategisch wie Roosevelt müssen auch Führungskräfte heute vorgehen, wenn sie in ihrem neuen Job erfolgreich sein wollen. Denn die Basis dafür wird noch vor dem Stellenantritt selbst gelegt.
Bereits während der Jobinterviews sollten Interessenten eruieren, welche Ziele das Unternehmen verfolgt, welche Werte es vertritt, welche Erwartungen an sie bestehen und auf welche Mittel sie setzen können. Nur wenn klar ist, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass neue Chefs nicht vom ersten Tag an im Tagesgeschehen ertrinken, ergibt ein Jobantritt in diesem Unternehmen Sinn. Denn die zu bewältigenden Herausforderungen sind vielschichtig.
Einerseits ist es wichtig, die Erwartungen der eigenen Vorgesetzten zu erfüllen und ein gutes Verhältnis zu ihnen zu haben. Andererseits müssen sich Führungskräfte Respekt, Akzeptanz und Vertrauen ihres Teams erarbeiten. Dabei stehen sie vor Fragen nach der Ausgestaltung ihrer Rolle, wie sie die Mitarbeiter führen können, die gebotene Distanz schaffen und an Informationen gelangen. Die Aufgaben entsprechen einer Gratwanderung. Diese wiederum gelingt nicht in einer Hau-Ruck-Aktion, sondern benötigt Fingerspitzengefühl. „Diese Zeit ist vergleichbar mit der Zeit nach einem Umzug“, erläutert Diplom-Psychologe Stefan Brandt. Zunächst gehe es darum, sich einen Überblick zu verschaffen.
Deshalb lassen sich die ersten 100 Tagen als neue Führungskraft, grob betrachtet, in drei Phasen einteilen: Orientierung, Planung und Umsetzung. Davon sollten zwei Drittel der Zeit auf die Orientierung entfallen, während Planung sowie Umsetzung auch über die Einarbeitungszeit hinaus dauern. Dementsprechend bestehen die Aufgaben in der ersten Woche darin, alle relevanten Personen kennenzulernen, Erwartungen zu klären und arbeitsfähig zu werden.
Einen wichtigen Baustein stellt die Antrittsrede dar. Sie ist im Idealfall kurz, knapp, konkret und so persönlich wie möglich, so das Arbeitgeberbewertungsportal kununu. In ihrer ersten Ansprache ans Team sollten Führungskräfte prägnant zusammenfassen, wer sie sind – ohne ihren kompletten Lebenslauf auszubreiten. Sie sollten sich darauf konzentrieren, mitzuteilen, warum sie die neue Position angenommen haben. Kununu empfiehlt, Ziele konkret zu benennen und zu sagen, was sie in diesem Zusammenhang von den Mitarbeitern erwarten. Dabei punkten sie mit Natürlichkeit und positiven Aussagen. Die Antrittsrede diene dazu, „Lust auf mehr“ zu machen. Ein intensiverer Austausch könne in den nächsten Tagen und Wochen in Form von Einzelgesprächen erfolgen.
Diese Einzelgespräche mit Mitarbeitern sowie Teams sind sehr gute Gelegenheiten, um weitere Orientierung zu gewinnen – nützliche Informationen über die Unternehmenskultur, interne Strukturen und innerbetriebliche Abläufe. Die neuen Chefs sollten Fragen stellen, zuhören, sich thematisch einlesen und sich mit den einzelnen Geschäftsfeldern beschäftigen. Dabei kommt es auch auf vermeintlich simple Dinge an, wie das Merken von Namen. Das zeigt Wertschätzung und wirkt motivierend. Gleichzeitig können sich die Neuen als Muster-Führungskräfte beweisen und Beziehungen aufbauen. Der Online-Marktplatz für Karriere und Rekrutierung Experteer rät zum Beispiel: „Verhalten Sie sich höflich, sympathisch, kompetent. Erzählen Sie etwas von sich, achten Sie aber dabei darauf, nicht gleich allzu private Details von sich preiszugeben!“ Ebenso sollten sich Führungskräfte nicht zu oft auf ihr altes Unternehmen beziehen.
Es komme darauf an, Leistungsbereitschaft zu demonstrieren, aber nicht zu übertreiben und nicht etwa bereits in der ersten Woche zu versuchen, sämtliche Abläufe umzustrukturieren. Auch wenn bei einigen Prozessen Optimierungsbedarf bestehen möge, sollten sich neue Führungskräfte in den ersten Wochen mit Kritik zurückhalten. Die Begründung: „So treten Sie niemandem auf die Füsse.“ Die Empfehlung lautet: „Warten Sie mit den grösseren Veränderungen ab, bis Sie richtig im Unternehmen angekommen sind. Das bedeutet: mindestens drei Monate.“
In der Orientierungsphase können jedoch bereits Kommunikationsstrukturen wie feste Meetings eingerichtet und die Regeln dafür aufgestellt werden, schreibt Stefan Brandt. In der sich daran anschliessenden Planungsphase werden die gewonnenen Informationen sortiert, diskutiert sowie bewertet. Dabei geht es darum, zunächst Aufgaben- und Handlungsfelder zu definieren. Veränderungen müssen langfristig geplant werden und in mehreren Schritten umgesetzt werden. Diese reichen von der Einleitung der Massnahmen über die Prüfung, wie diese realisiert werden, bis hin zum Einholen von Rückmeldungen und zu Anpassungen.
Dementsprechend ist es kununu zufolge nach 100 Tagen im neuen Job auch Zeit für eine Reflexion: Wurden die Ziele erreicht? Konnte der Respekt des Teams gewonnen und konnten Veränderungen angestossen werden? Ist der Chef zufrieden? Dabei sollten sich die neuen Führungskräfte sowohl vom Team als auch von ihren Vorgesetzten Feedback holen, um auf der richtigen Fährte zu sein. Noch sei es Zeit, das Ruder herumzudrehen, wenn der Chef nicht ganz einverstanden sei. Wurden die ersten 100 Tage im neuen Job souverän gemeistert, hat die neue Führungskraft nach Angaben von Experteer „beruflich gesehen alle Trümpfe in der Hand“.
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