Die ständigen Veränderungen fordern Unternehmen aktuell zur Genüge heraus. Doch der „Intrapreneurship Monitor 2020“ des Instituts für Entrepreneurship & Innovation der Universität Bayreuth als derzeit grösste Studie zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum bescheinigt ihnen, dass sie bisher dazu neigten, „sich auf ihrem initialen Erfinderreichtum und den daraus resultierenden Erfolgen der Anfangstage auszuruhen“. Gelinge es ihnen nicht, neue Antworten auf die sich rasch wandelnden Rahmenbedingungen zu finden, drohen der Niedergang von Firmen und merkliche Verwerfungen in der Unternehmenslandschaft. Als ein Mittel, um den schnelllebigen Veränderungen adäquat zu begegnen, sehen die Experten Intrapreneurship.
Der Begriff des Intrapreneurships beziehungsweise Binnenunternehmertums wurde bereits 1978 geprägt und bezeichnet das unternehmerische Verhalten von Mitarbeitern in Firmen oder öffentlichen Einrichtungen. Dieses von Unternehmer- und Gründergeist bestimmte Handeln von Angestellten wurde lange vernachlässigt, bildet jedoch dem Intrapreneurship Monitor zufolge mittlerweile einen anerkannt wichtigen Aspekt des Unternehmertums. Es beschreibe einen Bottom-up-Ansatz, um radikale Innovationen zu entwickeln und lasse sich mit einer Auffrischung der unternehmerischen DNA vergleichen. Nach Einschätzung der Wirtschaftsberater von Deloitte profitieren Konzerne mit unternehmerisch denkenden Mitarbeitern von innovativen Angeboten, erweiterten Fertigkeiten und Fähigkeiten, Wettbewerbsvorteilen, Kosteneinsparungen, höherer Motivation sowie schnelleren Produkt- oder Serviceeinführungen. Dementsprechend lautet das wichtigste Ergebnis des Intrapreneurship Monitors: „Erfolgreiche Unternehmen setzen auf die Weiterbildung und die Förderung des unternehmerischen Denkens ihrer Mitarbeiter.“
Derzeit habe zwar ein relativ hoher Anteil der befragten Unternehmen Intrapreneurship-Massnahmen durchgeführt. Dazu zählen die Schulung von Führungskräften zur Identifikation von Intrapreneuren und die Nutzung eines Vorschlagswesens zur Verbesserung ihrer Produkte. Jedoch verfügen lediglich 14 Prozent der Firmen über eine eigene Intrapreneurship-Abteilung, welche allerdings ausschlaggebend für Erfolg sei. Dabei scheinen grössere Unternehmen fortschrittlicher zu sein als kleine und mittlere. Was die Umsetzung der Innovationen aus Intrapreneurship-Aktivitäten betrifft, attestiert die Studie vor allem Familienunternehmen gutes Gelingen. Immerhin seien in fast allen Firmen Familienmitglieder aktiv in der Geschäftsführung tätig und Intrapreneurship werde häufig als Chefsache verstanden. Beinahe die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass die Intrapreneurship-Aktivitäten im Top-Management verankert seien. Etwa 21 Prozent der Unternehmen haben Intrapreneurship in der Personalabteilung angegliedert.
Deutlichen Nachholbedarf sieht die Studie bei der Incentivierung von Führungskräften. Lediglich 36 Prozent aller Firmen bieten ihnen entsprechende Anreize an, obwohl dies einen signifikant positiven Einfluss auf Intrapreneurship-Erfolg habe. Zudem bestehe „deutliches Verbesserungspotenzial“ bei der Unterstützung von Mitarbeitern. Nicht einmal 19 Prozent der Unternehmen wollen ihre Beschäftigten ausreichend lange von ihren Kernaktivitäten befreien. „Dies stellt eine der grössten Barrieren dar“, heisst es im Intrapreneurship Monitor. Die Mitarbeiter werden zwar aufgefordert, sich zu engagieren, doch oft schaffen Unternehmen nicht die dafür notwendigen Rahmenbedingungen, wie die Bereitstellung von personellen Kapazitäten und Ressourcen. Darüber hinaus gebe es aus Arbeitgeberperspektive Hürden. Dabei werde die Motivation der Mitarbeiter als grösste Herausforderung betrachtet. Weitere Barrieren: der Umgang mit Fehlern sowie die Finanzierung von Aktionen. Dies zeigt, dass die meisten Intrapreneurship-Aktivitäten noch in den Startlöchern stehen. Dennoch offenbare ein Blick in die Absichten der Unternehmen, dass die meisten Intrapreneurship als wichtiges Instrument zur Erneuerung und Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit erkannt haben und dieses zukünftig verstärkt adressieren wollen.
Bei der Gestaltung des Intrapreneurships sind vor allem die passenden Mitarbeiter essenziell. Denn: „Intrapreneure kann man nicht erschaffen – man muss sie erkennen“, erklärt Deloitte. Mehr als 20 Prozent aller Mitarbeiter zeigen unternehmerische Aktivitäten. Diese gelte es zu entdecken und zu fördern. Ihre Motivation sei intrinsisch und von einem hohen Mass an Selbstbewusstsein, Streben nach Autonomie, einer kritischen Einstellung und der Fähigkeit, Entscheidungen unter grosser Unsicherheit treffen zu können, geprägt. Sie überzeugen mit erweiterten Networking- sowie Problemlösungskompetenzen und bleiben hochflexibel, während sie beständig an ihrer Rolle als visionäre Führer festhalten. Diese Eigenschaften seien oft gepaart mit einer hohen Risikotoleranz, überdurchschnittlicher Eigeninitiative und starker Organisationsbindung. Die Personalabteilung sollte diese Merkmale bei Mitarbeitern – und Kandidaten – systematisch beurteilen. Zudem sei es Aufgabe des Managements, Intrapreneure zu entdecken.
Sind sie gefunden, so empfiehlt Deloitte, zu überprüfen, ob die Mitarbeiter über die notwendigen Ressourcen verfügen. Nicht zuletzt müssen sie unterstützt werden. Dies beinhalte ihnen zu zeigen, dass ihr unternehmerisches Verhalten gefördert werde. Dafür sollten Manager selbstständiges Handeln ermöglichen. Zudem komme es auf Motivation und Anreize an. Das bedeute, Manager sollten Ideen des Personals anerkennen sowie wertschätzen, Fehler und Scheitern tolerieren. Was das zur Verfügung stellen von Ressourcen betrifft, verweisen die Wirtschaftsberater auf Googles 20-Prozent-Regel. Ihr zufolge dürfen sich die Angestellten einen Tag pro Woche mit einem Projekt beschäftigen, das nichts mit ihrer eigenen Arbeit zu tun habe. Nicht zuletzt sollten Manager offenen Gedankenaustausch fördern und an einer dezentralen Struktur arbeiten, in der sie Entscheidungen weit nach unten delegieren können.
Die Wissenschaftler der Universität Bayreuth formulieren: „Der wichtigste Hebel zur Förderung von Intrapreneurship-Aktivitäten ist die Incentivierung von Führungskräften.“ Information und Motivation der Mitarbeiter sowie die Unterstützung mit nicht-finanziellen Ressourcen bilden bei der Analyse der Treiber für inkrementelle Innovationen signifikante Einflussfaktoren. Bei radikalen Innovationen erweisen sich – neben einer Intrapreneurship-Abteilung – hauptsächlich die Nutzung von externen Experten, die Freistellung des Personals für Intrapreneurship-Aktivitäten, finanzielle Ressourcen sowie Informations- und Motivationsmassnahmen als hilfreich. Wichtig zu beachten sei, dass solche Prozesse häufig etwas Zeit benötigen. Dennoch lohnen sie sich. Denn Intrapreneurship habe das Potenzial, um aus eigener Kraft (wieder) unternehmerischer zu werden und den Erfolg langfristig zu sichern.
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