Mit fesselnden Geschichten Mitarbeiter gewinnen

Der englische Begriff Storytelling klingt wie eine brandneue Erfindung und hat doch eine lange Tradition. Vermutlich sassen schon in der Steinzeit die Menschen gemeinsam am Lagerfeuer und haben sich Geschichten erzählt. Bevor Gutenberg den Buchdruck erfand, lebten Erzählungen und das enthaltene Wissen dadurch weiter, dass Menschen sie immer wieder vortrugen. Werden Informationen in Erzählungen eingebettet, bleiben sie besser haften, stiften Sinn, begeistern und wecken Gefühle. Dieser Grundgedanke des Storytellings fordert gut erzählte Geschichten als kluge Kombination aus sachlichen und emotionalen Inhalten. Dabei gibt das Konzept Storytelling die Struktur und die handelnden Personen vor. Ein Held sowie idealerweise noch ein Gegenspieler und der sich daraus ergebende Konflikt sowie seine Lösung fehlen selten im Spannungsbogen der Geschichte.

Storytelling im Personalmarketing

Für das Marketing bietet sich Storytelling an, um das von aussen abstrakte Konstrukt Unternehmen und seine Produkte glaubwürdig und von einer menschlichen Seite zu zeigen. Dabei geht es darum, zu beschreiben, was die Organisation einzigartig macht – und Emotionen zu wecken. Es gilt die Balance einzuhalten zwischen der werblichen und damit geschönten Darstellung des Alltags im Betrieb und dem echten Leben hinter den Kulissen. Der potenzielle Bewerber möchte das Unternehmen möglichst konkret erleben, sodass sich eine Kombination unterschiedlicher Contentformate wie Texte, Infografiken, Videos, Podcasts und Fotos anbietet. Gute Geschichten schaffen Bilder im Kopf. Mit Bildern lassen sich die künftige Arbeitsumgebung und Tätigkeit noch klarer zeigen als mit Text oder einem Podcast. Bilder sind universell und sprechen jeden an, wohingegen Texte konkreter auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden müssen. Dabei gilt es zu beachten, welches Fachwissen vorausgesetzt werden kann und welche Begriffe die Leser kennen. Bilder erschliessen sich hingegen intuitiv und deutlich schneller als das geschriebene Wort. Idealerweise unterstützt das visuelle Storytelling durch passende Fotos und Videos die Vertrauensbildung und stärkt die Arbeitgebermarke.

Mit sympathischen und aussergewöhnlichen Geschichten können insbesondere mittelständische und inhabergeführte Unternehmen ihre Stärken herausarbeiten. Statt sich als effizient und innovativ zu beschreiben, erklären sie anhand anschaulicher Beispiele aus dem Unternehmensalltag, wie sie arbeiten und denken. Dabei sind sie nahe am Kunden, und neue Mitarbeiter übernehmen durch die flachen Hierarchien schneller Verantwortung als in Grossunternehmen. Zudem gelingt es KMUs oft gut, den Sinn ihrer Tätigkeit zu vermitteln und ihre vergleichsweise kleine Produktpalette und deren Einsatzgebiet anschaulich zu erklären. Corporate Social Responsibility heisst nicht unbedingt, eine Stiftung zu gründen, sondern der Grundschule im Ort zu einer neuen Turnhalle zu verhelfen.

Geschichten mit Herz und Verstand

Der Firmengründer und CEO erzählt, warum er einst das Unternehmen gründete und welche Hürden und Rückschläge er für seinen Erfolg überwinden musste. Bei einer solchen Heldengeschichte handelt es sich um lupenreines Storytelling. Eine passende Geschichte kann fast jeder Mitarbeitende erzählen, sofern sie oder er Spass daran hat, und die Story glaubwürdig und freiwillig vermittelt. Das kann der Quereinsteiger sein, der nach einem Psychologiestudium seine Berufung in der IT fand oder der Auszubildende, der mittlerweile als Agility Master wichtige Projekte leitet. Vielleicht hat das KMU einen ehemaligen Obdachlosen eingestellt, der durch die berufliche Chance sein Leben wieder ordnen konnte.

Auch private Themen sind interessant, besonders wenn es eine Verknüpfung zu den beruflichen Schwerpunkten gibt. Wer im Sportverein seit Jahren die Weihnachtsfeier organisiert, hat längst das Zeug zum Eventmanager. Darf dieser Mitarbeiter nun das Firmenjubiläum planen, profitieren beide Seiten davon. Erzählt er seine Geschichte, zeigt sie vom Querdenken der Entscheider, die ihren Mitarbeitenden etwas zutrauen. Job Rotation oder Sabbatical können zu weiteren spannenden Geschichten führen.

Internes und externes Storytelling

Mit gut erzählten und authentischen Geschichten erreichen die Unternehmen nicht nur Menschen, die sich aktuell nach einer Stelle umschauen. Auch latente Jobsucher nehmen den potenziellen Arbeitgeber wahr und die Mitarbeitenden selbst sind eine weitere wichtige Zielgruppe.

Storytelling wirkt nicht nur nach aussen, sondern kann hervorragend im Unternehmen genutzt werden. Charismatische Führungskräfte bedienen sich oft der Strategien des Geschichtenerzählens und bauen damit emotionale Brücken zu ihren Mitarbeitenden. Fast alle Themen lassen sich mit der passenden Rahmengeschichte besser vermitteln, besonders interessant wird es bei Prozessen der Veränderung. In Change- und Lernprozessen hilft das Konzept des Storytellings, um Mitarbeiter mitzunehmen, und von den nötigen Veränderungen zu überzeugen. Werden sie emotional berührt, sind sie eher bereit, die Extrameile zu gehen.

Der Blick hinter die Kulissen

Menschen hinterfragen oft den Sinn ihrer Arbeit. Zeigen Sie, wo und wie Sie mit Ihren Produkten Gutes tun für die Gesellschaft, in der Schweiz oder weltweit. Manche Unternehmen halten ihre Produkte für zu wenig interessant, um eine Geschichte zu erzählen. Meist ist das ein Irrtum. Nehmen wir an, das Unternehmen stellt Batterien her, ein auf den ersten Blick eher wenig emotionales Produkt. Es sieht anders aus, wenn das KMU mitreissend erzählt, wo und wofür es die Batterien einsetzt und was sie damit Gutes tun. Ein anderes Unternehmen ist mit seinen speziellen Schrauben Weltmarktführer, ein klassischer Hidden Champion in der Nische. Dann könnte es spannende Geschichten erzählen von seinen Verhandlungen mit neuen Geschäftspartnern in Usbekistan oder Ruanda. Das Unternehmen nimmt seine Kunden und potenziellen Mitarbeiter mit auf die Reise und lässt sie teilhaben.

Storytelling funktioniert gut mit einem Blick hinter die Kulissen. Dabei zeigt der Geschäftsführer, wie und wo die Produkte entwickelt und getestet werden. Dann erklärt er die Produktion und zeigt, wie sorgfältig seine Mitarbeiter bei der Endkontrolle vorgehen. Anschliessend geht es zur Verpackung und in den Versand. Er stellt auch sein Team der Reklamationsabteilung vor, die selbst dann noch die Nerven behalten, wenn etwas schief läuft.

Fazit

Interessante Geschichten hat jedes Unternehmen zu bieten, es muss den Schatz nur heben. Im Idealfall erzählt es die Storys regelmässig auf seinem Blog und verbreitet sie von dort in die Social-Media-Kanäle des Unternehmens. Wer eine Stellenausschreibung sieht oder von einem Headhunter angesprochen wird, schaut sich die Präsenz des potenziellen Arbeitgebers im Netz an. Stösst er auf der Website, dem Blog oder in Social Media auf authentische und ansprechende Geschichten, hebt sich das Unternehmen positiv von seinen Wettbewerbern ab. Die Suche nach Fachkräften kann das strategisch eingesetzte Storytelling gut unterstützen.

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Autor: Thomas Ritter