Erst vor wenigen Tagen, zum Jahreswechsel, haben traditionell wieder viele Menschen Bilanz für sich gezogen und gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst – auch Job und Karriere betreffend. Aus Fragen wie „Was möchte ich eigentlich erreichen?“ und „Bin ich zufrieden?“ sind die verschiedensten Wünsche entstanden. Dazu zählen weniger Stress, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, auf der Karriereleiter eine Stufe höher zu klettern, sich weiterzubilden, einen besseren Job zu finden oder den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Doch diese Ziele lassen sich mit guten Vorsätzen allein nicht erreichen – ebenso wenig wie ein Blick in die Glaskugel dabei hilft.
Die Wahrscheinlichkeit, dass gute Vorsätze zum Jahresbeginn lediglich eine Vorstellung bleiben, ist äusserst hoch. „Studien zeigen, dass nur 30 Prozent der Vorsätze eine realistische Chance haben, sich zu verstetigen“, berichtet die WirtschaftsWoche mit Verweis auf die Gesundheitspsychologin Sonia Lippke von der Bremer Jacobs University. Bereits nach drei Wochen geben die ersten ihre Pläne auf. Nach einem halben Jahr sei nur noch die Hälfte dabei. Einer aktuellen Studie von Statista zufolge sind bei 39 Prozent der Befragten die guten Vorsätze nach einem Monat Geschichte. Lediglich 20 Prozent brechen ihre guten Vorsätze nicht.
Gründe, warum sich dies so verhält und die meisten schon bei den ersten Hürden in gewohnte Muster verfallen, gibt es den Befragten zufolge mehr als genug. Doch unabhängig davon, ob die Zeit oder die Unterstützung fehlte oder „etwas anderes dazwischengekommen“ ist, handelt es sich fast immer um eine Form von Ausreden. Diese wiederum sind nur allzu menschlich.
„Schuld ist daran angeblich das Gehirn“, so das Job- und Karriereportal arbeits-abc.de. Unter anderem seien im präfrontalen Kortex Willensstärke, Konzentrationsfähigkeit sowie zahlreiche weitere wichtige Gehirnfunktionen angesiedelt. Studien deuten darauf hin, dass die Willensstärke umso weniger aktiv sei, je mehr eine andere Funktion in diesem Areal benötigt werde. Um Energie zu sparen und Ressourcen zu schonen, greife der Mensch häufig auf Routinen zurück. Frank Wieber, Gesundheitswissenschaftler und Verhaltenspsychologe, präzisiert in einem Interview mit der Aargauer Zeitung: „Oft sind wir zu optimistisch bezüglich unserer Willensstärke und unserer Ressourcen.“ Die Umsetzung passe nicht zum Alltag. Oder die Absichten seien nicht konkret genug. „Bei einem Ziel wie ‚weniger Stress‘ kann ich nicht überprüfen, ob ich das geschafft habe. Da ist das Scheitern beinahe vorprogrammiert. Ich muss das herunterbrechen in konkrete und messbare Teilziele.“
Das bedeutet: Die Verwirklichung guter Vorsätze benötigt nicht nur Willensstärke, sondern überdies und vor allem einen guten Plan. Dafür empfehlen Frank Wieber sowie die Psychologie-Professorin Gabriele Oettingen die sogenannte WOOP-Methode. Wie im Magazin „impulse“ erläutert, stehen die vier Buchstaben für Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis) und Plan. Im ersten Schritt gehe es darum, einen Wunsch zu erkennen. Als Nächstes folge die Visualisierung – genaue Überlegungen und Vorstellungen, wie es wäre, wenn der Wunsch in Erfüllung ginge. Dies hat sich unter anderem im Sport bewährt. Anschliessend werden Hindernisse identifiziert und ein „Wenn-dann-Plan“ aufgestellt. Dieser definiert Handlungen, um bestimmte Hürden zu überwinden. „Wenn wir uns Ziele setzen, ist es wahrscheinlicher, dass wir sie erreichen. Wenn wir planen, wann, wo und wie wir sie erreichen wollen, ist es noch wahrscheinlicher“, so Frank Wieber.
Für dieses Planen braucht es auch nicht unbedingt den Jahreswechsel als Anlass. Julia Glöer, Autorin eines Buches zum Thema „Berufsglück“, rät in einem Interview in der Zeitung „Freie Presse“: „Wenn der berufliche Schuh drückt, sollte man nicht bis zum nächsten Jahr warten, sondern direkt anfangen.“ Dabei plädiert sie ebenfalls für planvolles Vorgehen. An erster Stelle stehe das Festlegen langfristiger Berufswünsche. Um das zu klären, gebe es methodische Ansätze. Ideen wie eine Kündigung oder irgendeine Weiterbildung sollten zunächst geprüft werden, zum Beispiel durch Gespräche mit Menschen, die diese oder ähnliche Job-Ideen bereits erfolgreich realisiert haben. Dann gelte es, kleine To-dos zu definieren, die jedes Mal sofort in die Tat umgesetzt werden können.
Alles in allem müssen die guten Vorsätze also kein mysteriöses Ritual zum Jahreswechsel bleiben. Sie können Schritt für Schritt und ganz nach Plan Wirklichkeit werden – nicht nur alle Jahre wieder, sondern jederzeit.
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Autor: Nicole Schmidt