FinTech, Kryptowährungen und die neue Rolle der Juristen

Die digitale Revolution im Finanzsektor hat zahlreiche innovative FinTechs hervorgebracht, und der Markt wächst weiter. Zürich und Genf belegen nach Singapur die Plätze 2 und 3 im weltweiten Ranking von FinTech-Hubs. In ihrer vierten FinTech-Studie zählte die Hochschule Luzern insgesamt 356 Player in der Schweiz mit einem Anstieg von 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der techgetriebenen FinTechs in der „Distributed Ledger Technology“ ist dabei von 15 auf 34 Prozent gestiegen. Diese international ausgerichteten FinTechs spezialisieren sich auf Kryptowährungen und Blockchain-Technologie. Im „Krypto-Valley“ Zug wird Bitcoin seit 2016 als Zahlungsmittel akzeptiert.

Misslungene Initial Coin Offerings (ICO), wie bei der Envion AG, haben einen Schatten auf die boomende Branche von mittlerweile über hundert Kryptowährungen in der Schweiz geworfen. Um langfristig Erfolg zu haben, setzen viele der FinTechs darauf, mit grossen Finanzinstituten zu kooperieren oder für sie als Technologiedienstleister tätig zu werden.

FinTechs zwischen Regulation und Disruption

Lange herrschte eine Goldgräberstimmung mit wenig regulatorischem Überbau und der Markt disruptiver Finanztechnologien war weitgehend unreguliert. Die eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat bei Bewilligungsfragen sowie in der Aufsicht und Regulierung längst auch die FinTechs im Fokus. Gemeinsam mit den Selbstregulierungsorganisationen (SRO) fördert sie ein glaubwürdiges und funktionsfähiges Finanzsystem.

In einer Gratwanderung bewegt sie sich zwischen guten Rahmenbedingungen für Wettbewerb und Innovation und dem Schutz von Kunden mit sicheren Systemen auf stabilen Finanzmärkten.

Dabei setzt sich die FINMA auch in internationalen Gremien ein, um schweizerische FinTechs zu unterstützen, die in ausländische Märkte expandieren.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kündigte 2019 die Gründung eines Innovation Hubs an. Die Schweizerische Nationalbank war von Anfang an dabei, gemeinsam mit der Finanzaufsicht von Singapur und Hongkong. Mithilfe des Hubs sollen Zentralbanken zu innovativen Finanztechnologien besser zusammenarbeiten und diese fördern.

Mehr Flexibilität mit der FinTech-Bewilligung

Damit ein neu gegründetes FinTech in der Schweiz nicht sofort alle Anforderungen der Aufsicht erfüllen muss, kann es seit Anfang 2019 die FinTech-Bewilligung beantragen. Sie stellt eine Vorstufe zur teuren und aufwendig zu beantragenden Banklizenz dar. Doch die schneller und leichter zu erlangende und eng begrenzte „Banklizenz light“ darf über eines nicht hinwegtäuschen. Die FinTechs brauchen Fachleute, die sich mit juristischen Themen wie Compliance und Regulierung auskennen und Abnahmeprozesse begleiten können. Teilweise unterschätzen Start-ups ihren Bedarf für Juristen oder können die Anforderungen an sie noch nicht klar genug definieren.

Da die meisten FinTechs mit personenbezogenen Kundendaten arbeiten, gilt es zudem die strengen Anforderungen des Datenschutzes zu befolgen. Dazu gehört in vielen Fällen die EU-DSGVO sowie das eidgenössische Datenschutzgesetz, dessen Totalrevision für 2020 erwartet wird.

Für die jungen Unternehmen und Start-ups ist es nicht immer leicht, erfahrene Fachleute für ihre Themen zu gewinnen. Einerseits liegen die Gehälter in Start-ups unter dem Durchschnitt und andererseits fehlt vielen Juristen die spezifische Kenntnis der neuen Technologien.

Da die traditionellen Banken durch die neuen Player stark unter Druck geraten, kommen sie in Zugzwang und suchen nach Kooperationen. Arbeiten sie mit FinTechs zusammen, werden sie nur erfolgreich, wenn sie die neuen Produkte und Prozesse passgenau einbauen. Mitunter kaufen sie kurzerhand den Wettbewerber auf. Damit finden sich langfristig die Beschäftigten doch in einem Konzern wieder.

Juristen für FinTechs gewinnen

Gut ausgebildete Juristen sind auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt stark nachgefragt. In grossen Kanzleien und Konzernen erwartet sie ein hohes Gehalt, attraktive Möglichkeiten der Weiterbildung sowie Aussicht auf Karriere und einen Einsatz im Ausland. Die wenigsten Punkte lassen sich in einem FinTech erfüllen. Zudem ist der Unsicherheitsfaktor gross, denn viele FinTechs schaffen es nicht, sich langfristig am Markt zu etablieren. In Deutschland haben seit 2011 laut einer Studie von PwC 233 FinTechs ihr Geschäft eingestellt. Die Investoren werden vorsichtiger und konzentrieren sich auf wenige bekannte Akteure, wie beispielsweise die international erfolgreich deutsche Direktbank N26. Dieses „Einhorn“ kommt jetzt auch in die Schweiz und wird mit 3,5 Milliarden US-Dollar bewertet. Im Vergleich zum FinTech Stripe (USA) mit 35,3 Milliarden Dollar fast ein Leichtgewicht. Aktuell plant N26 weder einen Börsengang noch den Verkauf an eine Grossbank.

Wer jedoch auf feste Strukturen wenig Wert legt, technikaffin ist und eine lockere und dynamische Arbeitsumgebung sucht, kann in einem FinTech eine attraktive Stelle finden. Bringen die Mitarbeitenden ein agiles und unternehmerisches Mindset mit, können sie meist von Tag 1 an viel gestalten.

Wie können FinTechs dem Fachkräftemangel begegnen? So könnten mehrere FinTechs im Zusammenschluss eine interessante Jobrotation ermöglichen und gemeinsam ein Weiterbildungsprogramm auf die Beine stellen. Ob sich Wettbewerber zu diesen Konzepten entschliessen können, ist eher fraglich.

Die schnell wachsenden FinTechs in der Schweiz haben einen hohen Bedarf an kompetenter Beratung zu Compliance und Regulatory. Die traditionellen Banken haben ebenfalls immer mehr regulatorische Anforderungen zu erfüllen und wollen agiler werden. Damit treten sie in den Wettbewerb um die begehrten Spezialisten mit technischem Verständnis und unternehmerischem Mindset. Das verschärft die Lage auf dem Markt für juristische Fachkräfte.

datum:

Autor: Thomas Ritter