Fachkräftemangel erfordert zielgerichtete Rekrutierung

In keinem anderen Berufszweig in der Schweiz ist der Mangel an Fachkräften so gross wie in den Ingenieurberufen. Tendenz: steigend. Das attestieren die grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft economiesuisse und der Berufsverband Swiss Engineering STV in einem Dossier unter Berufung auf das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Diese Situation hat auch Folgen für die Rekrutierung von Ingenieuren, Projektleitern und -entwicklern sowie weiteren erfahrenen Persönlichkeiten im Ingenieurbüro sowie Total- und Generalunternehmerumfeld.

Die Nachfrage nach Ingenieuren ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, so economiesuisse und Swiss Engineering STV. In einer Umfrage fanden sie heraus, dass es nahezu allen Betrieben schwerfällt, geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden. „Besonders schwierig ist dies in der Baubranche: 94 Prozent der befragten Führungspersonen gaben an, es sei für sie eher oder sehr schwierig, Ingenieurstellen neu zu besetzen.“

„War for Talents“ wird härter

Bei der Suche nach Gründen für diese Situation nannten die Befragten als wichtigsten Faktor den Mangel an inländischem Nachwuchs. Daneben zeigen sich „erhebliche Differenzen zwischen den geforderten und den tatsächlichen Eigenschaften der Job-Kandidaten.“ Sehr häufig mangele es den Bewerbern an Weiterbildungen, ausgewiesenen Erfolgen oder an sozialen Kompetenzen. Für Unternehmen, die qualifizierte Ingenieure, Projektleiter & Co. benötigen, bedeutet dies, dass sie sich mitten in einem harten Wettbewerb um die besten Mitarbeiter befinden. Dieser „War for Talents“ droht sich aufgrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels auch in benachbarten Ländern in Zukunft weiter zu verschärfen. Dem Dossier zufolge müsse in der Schweiz langfristig mit bis zu 50.000 fehlenden Ingenieuren gerechnet werden. Angesichts dessen ist Abwarten eine ungeeignete Strategie.

Vielmehr sind Unternehmen gefordert, ihre Rekrutierungskonzepte der Situation anzupassen. Dabei ist es nützlich, Gründe für Stellenwechsel zu kennen. Diesbezüglich zeigte die Befragung von economiesuisse und Swiss Engineering STV: Für jeden Dritten waren fehlende Entwicklungsmöglichkeiten ausschlaggebend. Des Weiteren gab ein Viertel der Befragten unsichere Zukunftsaussichten des Arbeitgebers an, etwa jeder Fünfte störte sich an den fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten. „Ebenso häufig fühlten sich die Stellenwechsler an ihrem letzten Arbeitsplatz nicht genug wertgeschätzt. 18 Prozent wechselten die Stelle, weil sie mit dem Arbeitsinhalt nicht zufrieden waren. Interessanterweise scheint die Lohnfrage nicht von zentraler Bedeutung zu sein: Das Argument der Lohnunzufriedenheit erscheint erst an sechster Stelle und betrifft 16 Prozent der Stellenwechsler.“

Wertekultur fest etablieren

Das bedeutet: Es genügt nicht, Ingenieure und Projektleiter über Stellenanzeigen sowie klassische Jobplattformen anzusprechen und auf freie Stellen hinzuweisen. Vielmehr müssen sie ihren Bedürfnissen entsprechend kontaktiert werden. Dazu zählen allem voran das Etablieren und Kommunizieren einer zu den Ansprüchen der Kandidaten passenden Wertekultur im Unternehmen. Ein Betrieb, der den Ruf geniesst, in die Fortbildung seiner Angestellten zu investieren, ihnen Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten und sie wertschätzend zu behandeln, ist für die raren Fachkräfte wesentlich interessanter als ein Unternehmen, von dem nichts bekannt ist oder welches lediglich mit einer besseren Bezahlung lockt.

Diese Werte sollten im gesamten Rekrutierungsprozess spürbar sein – von der Kontaktaufnahme auf verschiedenen Wegen bis hin zum Jobinterview. Knüpfen darüber hinaus ein professionelles Onboarding und die entsprechenden Arbeitsbedingungen an das fachgerechte Recruiting an, bestehen gute Voraussetzungen, um die begehrten Experten langfristig zu binden.

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