Nach zehn Jahren Diskussionen hat der EU-Rat kürzlich der Richtlinie zur Gender Diversity im Verwaltungsrat bei börsennotierten Unternehmen zugestimmt. Immerhin gehört Diversität in der Wirtschaftswelt zum guten Ton, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete. Wer nur ältere Männer in Führungsgremien beschäftige, sehe sich rasch dem Vorwurf ausgesetzt, im vergangenen Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Deshalb und vor dem Hintergrund, dass die Gesetzgebung bis 2026 einen Anteil von 30 Prozent Frauen in Verwaltungsräten vorsieht, werden zunehmend mehr Positionen in diesem Gremium dementsprechend besetzt. Doch Diversität ist mehr als Image und die vorgeschriebene Frauenquote.
Der Begriff – im Englischen Diversity – wird häufig mit Vielfalt gleichgesetzt. Er bezeichnet ein Konzept zur Unterscheidung sowie Anerkennung von Gruppen- und individuellen Merkmalen, das seinen Ursprung in der Bürgerrechtsbewegung der USA hat. Zu den Kerndimensionen gehören Alter, Geschlecht, Ethnizität, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung sowie physische und psychische Verfassung. Der Abbau von Diskriminierung und die Förderung von Chancengleichheit sind dabei nach Angaben der Hochschule München zwar die zentralen Ziele. Jedoch gehe es auch darum, die vielfältigen Leistungen und Erfahrungen von Menschen zu erkennen sowie sie als Potenzial zu begreifen und zu nutzen. Dementsprechend zielt das Diversitätsmanagement als eine Methode des Personalwesens darauf ab, die Diversität der Mitarbeiter gewinnbringend einzusetzen.
Diversität schützt vor gleichförmigem Gruppendenken, wie Eftychia Fischer, Verwaltungsrätin der UBP, der Vaudoise Versicherungen und Präsidentin der Waadtländer Kantonalbank, der NZZ sagte. Es sei mit Mehrwert verbunden, wenn Personen von aussen ins Unternehmen kämen und kritische Fragen stellen. Nach Worten von Antoinette Hunziker-Ebneter, Verwaltungsratspräsidentin der Berner Kantonalbank, bringen gut durchmischte Gruppen kreativere und innovativere Lösungen hervor. Das liegt darin begründet, dass vielfältig zusammengesetzte Teams unterschiedliche Ansichten besser abbilden und von einem breiteren Spektrum an Perspektiven und Kompetenzen profitieren, wie das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG erläuterte. Vielfalt fördere ein Umfeld, in dem kreative Problemlösung, emotionale Intelligenz sowie gemeinsame Leistung im Vordergrund stehen. Darüber hinaus ermögliche sie eine andere Herangehensweise an das Thema Risiken. In der Folge erzielen Unternehmen mit grösserer Vielfalt in Bezug auf Geschlecht, Kultur, sexuelle Orientierung und ethnische Zugehörigkeit mit höherer Wahrscheinlichkeit überdurchschnittliche Gewinne und seien erfolgreicher.
Insbesondere die Mischung der Kompetenzen erweist sich in der Praxis als Erfolgsfaktor, wie im Beitrag „VR-Mandate professionell besetzen – ein gutes Vorhaben 2022“ aufgezeigt ist. Denn verschiedene Fähigkeiten sind zwingend erforderlich, weil der Verwaltungsrat neben seiner Rolle als Kapitän im Unternehmen oft vielfältige Funktionen einnimmt, als Netzwerker, Coach, Türöffner, Krisenmanager sowie Berater. Da die Anforderungen zunehmend steigen, müsse das Gremium über ein ausgewiesenes Netzwerk, branchenübergreifende Expertise, vertieftes Finanzwissen und weitere Spezialkenntnisse, etwa in Vergütungsfragen, verfügen. Die einst benötigte Erfahrung und Branchenkenntnisse allein genügen nicht mehr.
Somit sollten Verwaltungsräte laut KPMG „im weitesten Sinne nach Diversität streben“. Das bedeute, neben geschlechtlicher und ethnischer Vielfalt auch unterschiedliche Fähigkeiten, Denkweisen, Erfahrungen und Hintergründe zu berücksichtigen. Dabei wiederum sind verschiedene Herausforderungen zu meistern.
Zum einen sollte die Zusammensetzung des Verwaltungsrats nicht statisch sein, sondern das sich verändernde wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld widerspiegeln sowie den Verwaltungsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Pflichten unterstützen, wie Hélène Béguin, Präsidentin des Verwaltungsrats, Audit Partner KPMG Schweiz, angeregt hat. Um zu einem optimalen Kompetenzmix zu gelangen, empfiehlt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, die Phase, in der sich die Organisation befinde, als Ansatz zu verwenden. Peile ein Unternehmen beispielsweise anorganisches Wachstum an, könne es sinnvoll sein, M&A-Kompetenzen ins Haus zu holen. „In einer Turnaroundphase sind Changemanagement und Restrukturierungswissen gefragt. Stehen neue Märkte, neue Kunden oder eine Verkaufsorganisation auf einem neuen Kontinent auf der Wunschliste, so sind im Verwaltungsrat entsprechende geo- und interkulturelle Erfahrungen zweckmässig. Etabliert man schliesslich ein Geschäftsmodell auf der Basis neuer Technologien, braucht es Affinität und Sicherheit im Umgang mit der Dynamik von Cyber, Krypto & Co.“
Ausserdem gilt es laut KPMG, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die eine aufrichtige, offene Kommunikation unterstütze und unterschiedliche Standpunkte zulasse. Um der Kultur nicht zu schaden, ist es wichtig, darauf zu achten, das Gremium nicht zu schnell zu erneuern, wie in der NZZ aufgezeigt ist. Nicht zuletzt müssen Wahrnehmungsfehler überwunden werden. Denn „Menschen umgeben sich gerne mit Menschen, die ihnen ähnlich sind, einen ähnlichen Hintergrund haben und ähnlich denken“. Diversität sei also durchaus auch anstrengend.
Vor allem kleinere Gesellschaften haben in puncto Diversity noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Denn dort ist der typische Verwaltungsrat zu etwa 80 Prozent männlich und älter als 50 Jahre, in kotierten Gesellschaften zu 87 Prozent männlich und 59 Jahre alt, wie im Informationsportal VR-Wissen dargelegt ist. Die angesichts dessen anstehenden Veränderungen erfolgreich zu meistern, unterstützen wir gern. Mit unserem Wissen, unseren Erfahrungen und Netzwerken helfen wir Ihnen, die Verwaltungsräte an Bord zu holen und die Voraussetzungen zu schaffen, die Sie angesichts der wachsenden Anforderungen benötigen.
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Autor: Jasmine Grabher