ChatGPT verlangt Expertise in der Bau- und Immobilienbranche

Alle reden über ChatGPT. Auch unter Architekten, Planern, Bauunternehmern, Bewirtschaftern, Maklern und Investoren ist der im November 2022 veröffentlichte Prototyp eines dialogbasierten Chatbots des Unternehmens OpenAI ein grosses Thema. In Medien, Blogs, Podcasts & Co. wird diskutiert, wie ChatGPT durch Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) die Arbeit in der Bau- und Immobilienbranche verändern kann. Die Quintessenz ist naheliegend, auch wenn die Meinungen vielfältig sind.

ChatGPT kann zum Beispiel bei Einschätzungen unterstützen, wie in diesem Video von Flipper Immo erläutert ist. Dies geschieht dem Tool zufolge „durch die Bereitstellung von schnellen und präzisen Informationen“, etwa Immobilienbewertungen, Marktberichten und Prognosen. Dadurch könne dieser Prozess stärker automatisiert und effizienter werden, ebenso wie Mietprozesse sowie die Akquise von Kunden und Immobilien. Die Fähigkeiten von ChatGPT zur Datenanalyse ermöglichen zudem die Verbesserung von Bauprojekten und Energieeffizienz. Ausserdem lasse sich ChatGPT einsetzen, um Informationen über Immobilien darzubieten und als virtueller Assistent Fragen von Kunden rund um die Uhr zu beantworten. Dies unterstütze Kundenservice und Verkauf. Hinzu kommen Fähigkeiten bei der Generierung von Content. ChatGPT kann eigenen Auskünften zufolge personalisierte Marketing-Kampagnen erstellen und, wie Fabian Lauer in seinem Makler-Podcast erklärte, Exposés sowie Social-Media-Posts verfassen.

Besser als andere bedeutet nicht „gut“

Die auf diese Weise entstandenen Texte seien oft besser als die von Mitbewerbern, so Fabian Lauer. Dennoch wies er darauf hin, dass er und seine Kollegen diese ergänzen. Denn: ChatGPT verfüge zwar über die für Makler wichtige Kommunikationsstärke. Jedoch benötigen erfolgreiche Makler darüber hinaus viele weitere Eigenschaften – von Verhandlungsgeschick über Durchhaltevermögen bis hin zu Empathie. Dass ChatGPT Einschränkungen unterliegt, hat OpenAI offen angegeben. Das Tool schreibe manchmal plausibel klingende, aber falsche oder unsinnige Antworten, was zu beheben eine Herausforderung darstelle. Es reagiere empfindlich auf Änderungen der Eingabeformulierung und errate normalerweise die Absicht des Nutzers, wenn dieser eine mehrdeutige Anfrage gesendet habe, statt klärende Fragen zu stellen. Nicht zuletzt spreche das Modell manchmal auf schädliche Anweisungen an oder zeige voreingenommenes Verhalten.

Die Fähigkeiten und Lücken von ChatGPT triggern die technologischen und menschlichen Schwächen der Gesellschaft. Seit geraumer Zeit werden die Unzulänglichkeiten von Google deutlich, etwa sich in endlosen Listen zu verlieren, wie Blogger, Autor und Journalist Sacha Lobo aufzeigte. Viele junge Menschen verwenden TikTok für die Informationssuche, „weil sie dort auf viele Fragen kurze, unterhaltsame Antworten als Videoclip präsentiert bekommen“. An dieser Stelle komme ChatGPT ins Spiel. Das Tool suche einzelne, gute Antworten, verstehe und merke sich bisher Gesagtes. Es erscheine als digitaler Gesprächspartner, während Google als Maschine wahrgenommen werde. Für die Nutzer sei es einfacher, in normaler Alltagssprache ihre gewünschten Informationen zu erhalten.

Halluzinationen, die nur schwer verifizierbar sind

Datenwissenschaftlerin Teresa Kubacka zeichnete folgendes Szenario: „Die Leute werden ChatGPT nutzen, um nach Dingen zu fragen, die weit über ihr Fachwissen hinausgehen, einfach weil sie es können. Weil sie neugierig sind und eine Antwort in einer verfügbaren Form brauchen, die nicht durch Paywalls oder schwierige Sprache geschützt ist.“

Aus ihrer Sicht gefährlich ist, dass ChatGPT Quellenangaben fälsche. Sie fand im Rahmen von Analysen heraus: „Einmal existierte zwar tatsächlich der Forschende, der das von der KI zitierte wissenschaftliche ‚Paper‘ geschrieben haben soll, doch die wissenschaftliche Arbeit gab es nicht.“ „Ein anderes Mal gab es zwar einen ähnlichen Forschenden an einer Universität mit ähnlichem Namen, dieser forschte aber in einem völlig anderen Bereich. Und bei weiteren Quellenangaben, die die KI machte, stellte sich heraus, dass es weder die Forschenden gab noch die referenzierte Arbeit.“ Die Expertin befürchtete: „Wir werden mit Halluzinationen gefüttert, die von der Wahrheit nicht zu unterscheiden sind, ohne Grammatikfehler geschrieben, mit halluzinierten Beweisen untermauert und allen ersten kritischen Prüfungen unterzogen.“ Selbst qualifizierte Experten können den Wahrheitsgehalt nur schwer prüfen.

Vorsicht vor blinder Euphorie!

US-Journalist Luke Zaleski formulierte sogar, dass es eine Schande für OpenAI sei, „diese Taschen-Atombombe ohne Einschränkungen auf eine unvorbereitete Gesellschaft loszulassen“. Die Süddeutsche Zeitung pflichtete dem bei: „Eine solche Technologie einzuführen, in einer Zeit, in der sowieso schon viel zu viele Menschen sämtliche Informationen, die sie im Internet finden, für bare Münze nehmen, und in der kritische Medienrezeption eine lang vergessene Kulturtechnik zu sein scheint, ist mindestens bedenklich.“ Das bedeutet: Bis KI tief in die Immobilien- und Baubranche einsickert, sollte noch einiges an Wasser die Limmat hinabliessen. Das hat auch Baumeister Otto Handle festgestellt. Noch liegen nicht genügend Trainingsdaten für die Modelle vor beziehungsweise sei ihre Beschaffung noch zu aufwendig.

Jedoch sei die Revolution nicht abgesagt. Denn ChatGPT wird emsig weiterentwickelt und auch Google arbeitet mit Hochdruck an Konkurrenz-Software, sodass mit Sicherheit einige Veränderungen auf jede Branche zukommen werden. Um die Möglichkeiten und das Gefahrenpotenzial zu erkennen sowie verantwortungsbewusst Nutzen daraus zu ziehen, braucht es jedoch unbedingt einer entsprechenden Expertise in den Unternehmen, die sie einsetzen können. Dies wiederum bedarf anderer Fähigkeiten als bisher. Diese sollten Verantwortliche spätestens jetzt stärken. Denn es gilt, die sich rasant verändernden Tools sachlich korrekt zu beurteilen, statt wichtige Entscheidungen wie über den Einsatz dieser Technologie auf Basis blinder Euphorie oder rigoroser Ablehnung zu treffen. Gerne helfen wir Ihnen, diese Spezialisten zu finden und an Bord zu holen.

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Autor: Renata Kratzer